• Home
  • Works
  • Introduction Guide Collaboration Sponsors / Collaborators Copyrights Contact Imprint
Bibliothek der Kirchenväter
Search
DE EN FR
Works Zeno of Verona (300-371) Sermones seu Tractatus Predigten und Ansprachen (BKV)
Buch 1
Traktat IX. Die Habsucht I.

1.

Es ist kein vereinzeltes und kein leichtes Verbrechen, Brüder, wenn jemand und vollends wenn ein Christ in den Banden der Habsucht liegt und geblendet durch die unheilvolle Finsternis einer tiefen Nacht elendiglich in den tiefsten Abgrund stürzt. Aber weil die ganze Welt von dem Feuer dieser pestartigen, unauslöschlichen Leidenschaft bis zur Gluthitze mitgerissen ist, hat die Habsucht offenbar aufgehört, ein Verbrechen zu sein; es gibt niemanden mehr, der sie als solches überführen könnte. Denn wo man hinsieht, stürzen alle Menschen in unersättlicher Gier sich auf schändlichen Gewinn; es findet sich schlechthin niemand mehr, der ihr, wenn auch nur für einen Augenblick, die Zügel der Gerechtigkeit anlegen würde. Ohne Ruh und Rast braust sie allezeit auf, wütet, kämpft, raubt, rafft zusammen, bewahrt auf, hält das eigene Gut zäh zurück, trägt nach fremdem Begehr, ist aber weder mit dem eigenen, noch mit dem fremden und auch nicht mit der ganzen Welt zufrieden; sie hat alles und klagt fortwährend über Mangel, Infolgedessen kommt sie nie zu einer Erfüllung ihrer Wünsche, Je reicher sie wird, desto unglücklicher fühlt sie sich; denn sie kennt keine Ruhe und kennt kein Genügen, Mit Recht und Unrecht, mit allen Mitteln, Formen und Listen gewappnet,1 rast sie dahin, ohne Rücksicht auf eigenes oder fremdes Wohl und Wehe; sie hat nur eine Befürchtung, es könnte einer nichts haben, was sie ihm abzwak-ken konnte. Darin liegt der Grund, weshalb alle Nationen an Wunden zum Erliegen kommen, die sie sich gegenseitig beigebracht; weshalb Städte über ihren Zusammenbruch zu klagen haben; weshalb vernichtete Fluren sich nicht mehr erholen können; weshalb die Meere mehr wegen der Seeräuber schrecklich sind als wegen ihrer Natur, Die Straßen werden durch Schwerter abgesperrt S. 133 und getränkt mit Menschenblut; Testamente wundern sich, daß aus ihnen ganz unbekannte Erben zur Verlesung kommen; von vermeintlicher Freundeshand gereichter unheilvoller Gifttrank mordet bedenkenlos schuldlose Menschenleben, Durch eine neue Art wahnsinnigen Hasses wird die Leibesfrucht, schon bevor sie zur Welt kommt, nicht so fast im Schoß der Mutter als in einem Sarg begraben: sie konnte so weder zu einem rechtmäßigen Leben noch zu einem rechtmäßigen Tode kommen. Mit Recht sagt deshalb der Apostel: „Die Wurzel aller Übel ist die Habsucht."2 Denn tatsächlich haben alle die Übel, die wir erwähnt haben, und noch viele andere, ja überhaupt alle Übel, die in einemfort allüberall auftreten, wie sie die Menschheit zu Unrecht zu verurteilen sich bemüht, die Habsucht zur Mutter und Lehrerin, gehen aus ihr hervor und werden durch sie gefördert. So verschluckt die Menschheit das Kamel und seiht die Mücke;3 die Tropfen der Verbrechen schüttelt sie ab, den Quell aber, aus dem die Ströme der Verbrechen fließen, trinkt sie aus, den Quell der Habsucht.


  1. Nach der Lesart der Ballerini: Artibus multis, modis ac versutiis armata bacchatur. Giuliari: artibus multimodis ac versutis armata. ↩

  2. 1 Tim. 6,10 ↩

  3. Matth. 23,24. Zur Zeit Zenos bereits zum Sprichwort geworden, wie Zitate auch bei and eren Kirchenvätern erkennen lassen. ↩

pattern
  Print   Report an error
  • Show the text
  • Bibliographic Reference
  • Scans for this version
Download
  • docxDOCX (244.80 kB)
  • epubEPUB (228.68 kB)
  • pdfPDF (831.08 kB)
  • rtfRTF (672.52 kB)
Translations of this Work
Predigten und Ansprachen (BKV)

Contents

Faculty of Theology, Patristics and History of the Early Church
Miséricorde, Av. Europe 20, CH 1700 Fribourg

© 2025 Gregor Emmenegger
Imprint
Privacy policy