4. Kap. Die Prokonsuln können stets Mittel und Wege finden, die Verfolgungsedikte milde und menschlich auszuführen, wenn sie nur wollen. Will Scapula dagegen rücksichtslose Strenge gebrauchen, so soll er sich wenigstens innerhalb der Schranken des Gesetzes halten.
Wir, die wir selbst nichts fürchten, wollen dich nicht erschrecken. Aber ich wünschte, daß wir imstande wären, alle zu retten durch die Ermahnung „nicht gegen Gott zu kämpfen“1. Es wäre dir möglich, die Obliegenheiten deines Richteramtes zu erfüllen und doch der Menschlichkeit eingedenk zu bleiben, schon darum, weil auch ihr unter dem Gesetze des Schwertes stehet. Denn, was ist dir strenger anbefohlen, als die Schuldigen, die bekannt haben, zu verurteilen, hingegen die, welche leugnen, auf die Folter zu bringen? Da seht ihr also, wie ihr selbst gegen die Vorschriften handelt, indem ihr Leute, die bekannt haben, zum Leugnen zwingen wollt! Ihr gesteht damit selber zu, daß wir eigentlich schuldlos sind, da ihr uns nicht gleich auf unser Geständnis hin verurteilen wollt. Wenn ihr aber darnach strebt, uns zu vernichten, dann bekämpft ihr also die Unschuld.
Wie viele Präsidenten, und selbst strengere und grausamere, haben in Rechtssachen dieser Art durch die Finger gesehen! So z. B. Cincius Severus, der zu Thysdrus2 selbst das Auskunftsmittel angab, wie die Christen antworten sollten, um entlassen zu werden. So Vespronius Candidus, der, um seine Bürger zu befriedigen, einen Christen als Ruhestörer bestrafte und dann entließ3. So Asper4, der einem Menschen, welcher nach schwacher Anwendung der Folter sogleich wankend S. 270wurde, nicht zum Opfern zwang, nachdem er vorher vor seinen Advokaten und Beisitzern geäußert hatte, es tue ihm leid, mit dieser Sache zu tun bekommen zu haben.
Auch Pudens5 setzte einen ihm zugeschickten Christen, nachdem er aus dem Protokoll ersehen, daß derselbe durch den Kniff der concussio6 in Anklagestand geraten war, in Freiheit und zerriß das Protokoll mit den Worten, gemäß den amtlichen Bestimmungen verhöre er keinen Menschen ohne Ankläger.
Alles dieses kannst du von der Beamtenschaft erfahren und sogar von denselben Advokaten, die selber von Christen Wohltaten genossen hatten. Sie stimmen freilich, wie sie Lust haben. Denn auch der Schreiber eines gewissen Herrn wurde, als er an dämonischer fallender Sucht litt, befreit; auch ein Verwandter und ein Knäblein gewisser Leute und weiß Gott wie viele angesehene Männer - von den gemeinen Leuten spreche ich gar nicht - sind von Dämonen oder von Krankheiten geheilt worden! Er selber sogar, Severus, der Vater des Antoninus, war der Christen eingedenk. Er ließ nämlich den Christen Proculus7 mit dem Beinamen Torpation, Verwalter bei der Evodia8, der ihn einmal durch Anwendung von Öl gesund gemacht hatte, aufsuchen und behielt ihn bei sich in seinem Palaste bis an dessen Tod. Ihn hat auch Antoninus, der mit christlicher Milch aufgezogen S. 271ist9, sehr gut gekannt. Auch tat Severus vornehmen Männern und Frauen, obwohl er wußte, daß sie dieser Genossenschaft angehörten, nicht nur nichts zuleide, sondern ehrte sie sogar mit seinem Zeugnisse und widerstand offen dem Pöbel, der gegen uns wütete. Marc Aurel erlangte auf seinem Feldzuge in Deutschland bei großem Wassermangel Regen durch die an Gott gerichteten Gebete der christlichen Soldaten. Wann ist einmal unsern Kniebeugungen und Fasten zum Trotz nicht die Dürre gewichen? Alsdann10 rief auch das Volk zum Gott der Götter, der allein mächtig sei, und legte unter dem Namen des Jupiter für unsern Gott Zeugnis ab11.
Außerdem12 leugnen wir keinem das uns Anvertraute ab, greifen in niemandes eheliche Rechte ein, handeln milde gegen die Waisen, erquicken die Dürftigen und vergelten keinem Böses mit Bösem. Immerhin mag es Leute geben, die die Zugehörigkeit zu unserer Genossenschaft nur heucheln13, solche weisen auch wir zurück. Wenn es sich endlich bei einem von den Unsern um eine Anklage handelt, wird etwa einer unter einem andern Titel angeklagt?14 Keine andere Affäre hat der Christ auszuhalten, als nur die, daß er seiner Genossenschaft angehört, obwohl sie nach so langer Zeit noch von niemand weder der Blutschande noch grausamer Handlungen überführt worden ist. Es ist unsere Schuldlosigkeit, unsere große Rechtschaffenheit, unsere GerechtigkeitS. 272, Keuschheit, Treue, Wahrheitsliebe, es ist der lebendige Gott, um dessentwillen wir verbrannt werden, eine Strafe, die nicht einmal den wirklichen Tempelräubern, den Staatsfeinden und der ganzen Masse von Majestätsverbrechern auferlegt zu werden pflegt. Denn auch im gegenwärtigen Augenblicke wird der christliche Name von den Präsidenten von Numidien und von Mauretanien verfolgt, aber doch nur bis zur Anwendung des Schwertes15, welche Art Strafe von Anfang an gegen solche Leute anzuwenden gesetzlich befohlen worden ist. Indessen, je schlimmer der Kampf, desto herrlicher die Belohnung.
μὴ θεομαχεῖν. Daß Tertullian hier und Kap. 5 griech. Ausdrücke gebraucht, ist nicht auffallend. ↩
Stadt in Byzacene, jetzt El Jemme auch Thisdra. ↩
So ist, glaube ich, qui Christianum quasi tumultuosum civibus suis satisfacere dimisit zu übersetzen. Die Bürger forderten seinen Tod, weil er Christ war; der Richter strafte ihn aber nur als Unruhestifter. ↩
C. Julius Asper, Konsul 212. ↩
Pudens scheint 211 Prokonsul gewesen zu sein. ↩
Die Concussio bestand darin, daß ein Verklagter sich aus der Sache zog, indem er seinen Ankläger eines noch größeren Vergehens, in unserem Fall des christlichen Bekenntnisses, anschuldigte. ↩
Vgl. adv. Val. C. 7. ↩
Nach der Verbesserung des Pithoeus, die auch Baronius billigt, wäre Euodi procuratorem zu lesen. Euodius war Hofmeister und Erzieher das Carcalla und stand bei Severus in hoher Gunst. Dio Cass. 76, 3. Der gewöhnliche Text liest aber Euhodiae procuratorem, was entweder erklärt wird: Verwalter bei der Evodia, also einer reichen Dame, oder Aufseher der Staatsstraßen (εὐοδία), erstere Erklärung ist vorzuziehen; denn Evodia kommt auch sonst als Personenname vor z. B. schon Phil. 4,2 und erinnert an Evodius, einen Freigelassenen des Severus, Erzieher des Carcalla, der 184 geboren war. ↩
D. h. er hatte eine Christin zur Amme. Hiermit stimmt überein, wenn Spartanius, Car. c. 1 erwähnt, daß Caracalla einen Judenknaben zum Gespielen gehabt habe. Es könnte möglicherweise auch ein Christenknabe gewesen sein; denn die Heiden verwechselten noch immer Juden und Christen. ↩
in solchen Nöten. ↩
Es rief zum Gott der Götter, den es zwar Jupiter nennt, unter dem aber tatsächlich der wahre Gott, den die Christen als einzigen Gott verehren, zu verstehen ist. ↩
Praeter haec bedeutet: Nicht nur in den öffentlichen Nöten kommen wir euch durch unsere wirksame Fürbitte zu Hilfe, sondern wir zeichnen uns auch durch soziale Tugenden aus. ↩
qui sectam mentiuntur, die nur äußerlich und fälschlicherweise sich Christen nennen. ↩
als dem, daß er Christ sei. Vgl. Apolog. c. 2, 3, 44. ↩
Also nicht mit so ganz gesetzeswidrigen Strafen, wie Verbrennen, zu Tode foltern usw. ↩
