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Bekenntnisse
14. Warum erinnern wir uns an Freudiges oft nicht mit Freude?
Auch die Seelenaffekte hält mein Gedächtnis fest, aber nicht so, wie die Seele ihrer beim Empfinden inne wird, sondern in ganz anderer Weise, wie es der Natur des Gedächtnisses entspricht. Denn ohne augenblicklich froh zu sein, erinnere ich mich, froh gewesen zu sein, ohne traurig zu sein, gedenke ich meiner vergangenen Trauer; ohne Furcht stelle ich mir vor, daß ich mich früher gefürchtet habe, und ohne Begierde bin ich früherer Begierde eingedenk. Ja mitunter erinnere ich mich ganz umgekehrt mit Freuden der vergangenen Traurigkeit und mit Trauer der Freude. Das ist in bezug auf den Körper nicht zu verwundern: denn ein anderes S. 231 ist der Geist, ein anderes der Körper. Wenn ich mich daher eines vergangenen körperlichen Schmerzes mit Freude erinnere, so ist das nicht wunderbar. Anders dagegen verhält es sich bei dem Geiste, der selbst das Gedächtnis ist. Denn wenn wir jemandem auftragen, etwas im Gedächtnisse zu behalten, so sagen wir ihm: „Sieh zu, daß du dieses in deinem Geiste bewahrest“, und wenn wir vergessen, so sagen wir: „Es ist meinem Geiste nicht mehr gegenwärtig“, „es ist meinem Geiste entfallen“, und nennen so das Gedächtnis selbst Geist. Wenn dem aber so ist, wie kommt es dann, daß ich mich früherer Traurigkeit mit Freude erinnere, in meinem Geiste also Freude, in meinem Gedächtnisse aber Traurigkeit vorhanden ist und daß mein Geist deshalb froh ist, weil ihm Freude, mein Gedächtnis dagegen deshalb nicht traurig ist, weil ihm Traurigkeit innewohnt? Gehört es vielleicht nicht zum Geiste? Wer möchte das behaupten? Das Gedächtnis ist also wohl der Magen des Geistes, Freude und Trauer aber gleichsam süße und saure Speise; werden sie dem Gedächtnisse übergeben, so werden sie gewissermaßen in den Magen eingeführt und bleiben dort verborgen, ohne Geschmacksempfindung verursachen zu können. Es klingt lächerlich, zwischen diesen Dingen eine Ähnlichkeit finden zu wollen, aber deshalb sind sie doch auch nicht ganz unähnlich.
Doch siehe, aus meinem Gedächtnisse hole ich es hervor, wenn ich behaupte, daß es vier Störungen der Gemütsruhe gibt: Begierde, Freude, Furcht und Traurigkeit. Und alles, was ich hierüber zu sagen vermag, wenn ich die einzelnen Affekte in die ihrer Gattung entsprechenden Arten einteile und genau bestimme, im Gedächtnisse finde ich, was ich sagen soll, und von dort hole ich es hervor. Aber keiner dieser Affekte stört mich in meiner Ruhe, wenn ich ihrer in der Erinnerung gedenke. Bevor ich aber mich ihrer erinnerte und auf sie zurückkam, waren sie dort; deshalb konnte ich sie auch durch die Erinnerung wieder von dort hervorholen. Vielleicht bringt also das Gedächtnis durch die Kraft der Erinnerung diese Affekte hervor, wie die Wiederkäuer die Speise aus dem Magen. Warum wird nun aber die S. 232 Süßigkeit der Freude oder die Bitterkeit der Trauer von dem Sprechenden, das ist von dem, der sich daran erinnert, nicht mit dem Munde seines Denkens empfunden? Oder liegt die Unähnlichkeit etwa hierin, weil der Vergleich nicht völlig zutrifft? Denn wer möchte gern über solche Dinge reden, wenn wir, so oft wir Trauer oder Furcht nur nennen, jedesmal auch Trauer oder Furcht empfinden müßten? Und doch würden wir davon nicht reden, wenn wir nicht in unserem Gedächtnisse neben dem Schalle der Worte, entsprechend den durch die Sinne empfangenen Bildern, auch die Bezeichnungen der Begriffe selbst fänden; diese aber hat uns keine Pforte unseres Leibes erschlossen, sondern der Geist selbst hat sie auf Grund der Erfahrungen seiner Leidenschaften erlebt und sie dem Gedächtnisse anvertraut, oder dieses hat selbst sie festgehalten, ohne daß sie ihm besonders eingeprägt wurden.
Edition
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Confessiones
Caput 14
Affectiones quoque animi mei eadem memoria continet non eo modo, quo eas habet ipse animus, cum patitur eas, sed alio multum diverso, sicut sese habet vis memoriae. nam et laetatum me fuisse reminiscor non laetus, et tristitiam meam praeteritam recordor non tristis, et me aliquando timuisse recolo sine timore, et pristinae cupiditatis sine cupiditate sum memor. aliquando et e contrario tristitiam meam transactam laetus reminiscor, et tristis laetitiam. quod mirandum non est de corpore: aliud enim animus, aliud corpus itaque si praeteritum dolorem corporis gaudens memini, non ita mirum est. hic vero, cum animus sit etiam ipsa memoria -- nam et cum mandamus aliquid, ut memoriter habeatur, dicimus: vide, ut illud in animo habeas, et cum obliviscimur, dicimus: non fuit in animo et elapsum est animo, ipsam memoriam vocantes animum -- cum ergo ita sit, quid est hoc, quod cum tristitiam meam praeteritam laetus memini, animus habet laetitiam et memoria tristitiam, laetusque est animus ex eo, quod inest ei laetitia, memoria vero ex eo, quod inest ei tristitia, tristis non est? num forte non pertinet ad animum? quis hoc dixerit? nimirum ergo memoria quasi venter est animi, laetitia vero atque tristitia quasi cibus dulcis et amarus: cum memoriae commendantur, quasi traiecta in ventrem recondi illic possunt, sapere non possunt. ridiculum est haec illis similia putare, nec tamen sunt omni modo dissimilia. Sed ecce de memoria profero, cum dico quattuor esse perturbationes animi, cupiditatem, laetitiam, metum, tristitiam, et quidquid de his disputare potuero dividendo singula per species sui cuiusque generis et difiniendo, ibi invenio quid dicam atque inde profero, nec tamen ulla earum perturbatione perturbor, cum eas reminiscendo commemoro; et antequam recolerentur a me et retractarentur, ibi erant; propterea inde per recordationem potuere depromi. forte ergo sicut de ventre cibus ruminando, sic ista de memoria recordando proferuntur. cur igitur in ore cogitationis non sentitur a disputante, hoc est a reminiscente, laetitiae dulcedo vel amaritudo maestitiae? an in hoc dissimile est, quod non undique simile est? quis enim talia volens loqueretur, si quotiens tristitiam metumve nominamus, totiens maerere vel timere cogeremur? et tamen non ea loqueremur, nisi in memoria nostra non tantum sonos nominum secundum imagines inpressas a sensibus corporis, sed etiam rerum ipsarum notiones inveniremus, quas nulla ianua carnis accepimus, sed eas ipse animus per experientiam passionum suarum sentiens, memoriae commendavit, aut ipsa sibi haec etiam non commendata retinuit.