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Bekenntnisse
35. Sein Verhalten in bezug auf die Neugier.
Dazu kommt noch eine andere, weit gefährlichere Versuchung. Denn neben jener Fleischeslust, die jeglicher Ergötzung der Sinne und jeglicher Lust zu Grunde liegt und die denen, die sich von dir entfernen, um ihr zu dienen, den Untergang bringt, wohnt in der Seele auch noch eine andere Begier; ihr Streben ist nicht darauf gerichtet, sich durch die Sinne des Körpers im Fleische zu ergötzen, sondern vermittelst derselben Sinne und des Fleisches allerhand Nichtiges zu erfahren, ein Verlangen, das wir mit dem Namen von Erkenntnis und Wissenschaft bemänteln. Weil also diese Versuchung durch den Erkenntnistrieb an uns herantritt, die Augen aber vor allen anderen in der Erkenntnis der Außenwelt Führer sind, wird sie nach einem Worte des Herrn „Begierlichkeit der Augen“1 genannt. Den Augen kommt nämlich das Sehen im eigentlichen Sinne zu. Allein wir brauchen diesen Ausdruck in übertragener Bedeutung auch bei den anderen Sinnen, S. 257 wenn wir mit ihrer Hilfe etwas erkennen wollen. Wir sagen zwar nicht: Höre, wie es funkelt; rieche, wie es glänzt; koste, wie es leuchtet; fühle, wie es strahlt; aber bei allen diesen Empfindungen kann man das Wort sehen gebrauchen. So sagen wir nicht nur: Sieh, wie es leuchtet, was allein die Augen wahrnehmen können, sondern auch: Sieh, wie es klingt; sieh, wie es riecht; sieh, wie es schmeckt; sieh, wie hart es ist. Deshalb nennt man, wie erwähnt, alles, was durch die Sinne wahrgenommen wird, „Begierlichkeit der Augen“ weil auch die übrigen Sinne, sobald sie die Erkenntnis eines Dinges vermitteln, die Funktion des Sehens, die an erster Stelle den Augen zukommt, in analoger Weise ausüben.
Hieraus aber läßt sich genügend klar erkennen, welchen Anteil an der Sinnestätigkeit das Vergnügen, welchen die Neugier hat: das Vergnügen geht dem Schönen, Wohltönenden, Lieblichen, Schmackhaften, Sanften nach, die Neugier aber auch dem Gegenteil hiervon, um es zu versuchen, nicht weil sie gern Beschwerden übernähme, sondern weil sie das Verlangen treibt, zu erfahren und zu erkennen. Was liegt wohl für ein Vergnügen darin, an einem zerfleischten Leichname Dinge zu sehen, vor denen man sich sonst graut? Und doch laufen alle hin, wenn irgendwo einer liegt, um sich zu entsetzen, um vor Schrecken blaß zu werden; sonst fürchten sie sich, einen solchen Anblick im Traume zu haben. Aber im wachen Zustande scheint eine geheime Macht sie anzuziehen oder der Ruf besonderer Schönheit sie anzulocken. Ähnlich so verhält es sich auch bei den übrigen Sinnen; jedoch würde es zu weit führen, dieses im einzelnen nachzuweisen. Diese krankhafte Gier ist der Grund, daß auf den Bühnen so viele wunderliche Stücke aufgeführt werden. Deshalb unternimmt man es, die Geheimnisse der Natur, die außer uns liegt und deren Kenntnis uns nichts frommt, zu erforschen; und doch erstreben die Menschen (wenn man ihren Worten glaubt) nur Kenntnisse. Dahin gehört es auch, wenn in gleichem Streben nach verkehrter Wissenschaft magische Künste angewandt werden. Daher kommt es auch, daß Gott im Bereiche der Religion selbst versucht S. 258 wird, indem man Zeichen und Wunder verlangt nicht zum Zwecke irgendeiner Heilswirkung, sondern lediglich, um ihn auf die Probe zu stellen.
In diesem unermeßlichen Walde voll Nachstellungen und Gefahren, sieh, da habe ich wohl vieles abgehauen und aus meinem Herzen herausgeworfen, wie du es zu tun mir verliehen hast, Gott meines Heiles. Und doch, wann werde ich sagen dürfen bei der Fülle von Bildern, die von allen Seiten mich umschwirren, wann werde ich sagen dürfen, daß nichts mehr davon in mir die Lust erweckt, es zu sehen und in nichtigem Eifer nach ihm zu haschen? Freilich fesseln mich die Theater nicht mehr, auch kümmere ich mich nicht mehr um Konstellationen, und nie hat meine Seele die Schatten um Rat gefragt; alle gotteslästerlichen Bräuche sind mir ein Abscheu. Doch wie lustig sind die Einflüsterungen des Feindes, in denen er mich zu verleiten sucht, von dir, mein Herr und Gott, dem ich in Einfalt und Demut zu dienen schuldig bin, ein Zeichen zu verlangen? Aber ich beschwöre dich bei unserem Könige und bei dem himmlischen Jerusalem, unserer schlichten, keuschen Heimat: Wie ich schon jetzt gar nicht gesonnen bin, in derlei zu willigen, so laß es mir immer ferner und ferner bleiben. Wenn ich jedoch um jemandes Heil zu dir flehe, so ist der Zweck meiner Bitte ein ganz anderer; und du verleihest mir und wirst mir auch in Zukunft gern verleihen, daß ich mich gern deiner Anordnung füge, wie auch immer dein Wille sei.
Indessen, wie viele äußerst geringfügige und verächtliche Dinge gibt es, durch die unsere Neugier täglich in Versuchung geführt wird, und wer zählt es, wie oft wir unterliegen? Wie oft geschieht es, daß wir fade Geschichten zuerst erdulden, um die Schwachen nicht zu beleidigen, bald aber selbst sie gern anhören? Einen Hund, der im Zirkus einem Hasen nachläuft, sehe ich mir nicht mehr an; gehe ich aber zufällig über die Felder, so bringt mich eine solche Jagd vielleicht von einem wichtigen Gedanken ab, da die Jagd meine ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht; nicht mit meinem Lasttiere kehre ich mich dabei vom Wege ab, wohl aber mit der Richtung meiner Gedanken. Dann mußt du mir meine Schwäche vorhalten und mich sofort ermahnen, S. 259 entweder von jenem Schauspiele selbst aus durch irgendeine Betrachtung zu dir hinaufzusteigen oder das Ganze zu verachten und darüber hinwegzugehen; sonst starre ich gedankenlos hin. Wie, wenn zu Hause eine Eidechse, die den Fliegen nachstellt, oder eine Spinne, die sie umwickelt, wenn sie in ihr Netz geraten, meine Aufmerksamkeit fesselt? Oder ist das etwas anderes, weil es sich hier nur um kleine Tiere handelt? Wohl geben sie mir Veranlassung, dich zu loben, du wunderbarer Schöpfer und Ordner des Alls, aber nicht in dieser Absicht habe ich ihnen meine Aufmerksamkeit zugewandt. Und etwas anderes ist es, rasch aufzustehen, etwas anderes, gar nicht zu fallen, Und von solchen Vorkommnissen ist mein Leben voll, und meine einzige Hoffnung ist deine überaus große Barmherzigkeit. Denn da unser Herz ein Behältnis für solche Dinge wird und eine Fülle von Eitelkeit mit sich führt, so wird dadurch selbst unser Gebet unterbrochen und in Verwirrung gebracht; und während wir vor deinem Angesichte die Stimme unseres Herzens zu deinen Ohren dringen lassen, drängen sich von irgendwo unnütze Gedanken herbei und unterbrechen so ernste Betrachtungen.
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1 Joh. 2,16. ↩
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The Confessions of St. Augustin In Thirteen Books
Chapter XXXV.--Another Kind of Temptation is Curiosity, Which is Stimulated by the Lust of the Eyes.
54. In addition to this there is another form of temptation, more complex in its peril. For besides that concupiscence of the flesh which lieth in the gratification of all senses and pleasures, wherein its slaves who "are far from Thee perish," 1 there pertaineth to the soul, through the same senses of the body, a certain vain and curious longing, cloaked under the name of knowledge and learning, not of having pleasure in the flesh, but of making experiments through the flesh. This longing, since it originates in an appetite for knowledge, and the sight being the chief amongst the senses in the acquisition of knowledge, is called in divine language, "the lust of the eyes." 2 For seeing belongeth properly to the eyes; yet we apply this word to the other senses also, when we exercise them in the search after knowledge. For we do not say, Listen how it glows, smell how it glistens, taste how it shines, or feel how it flashes, since all these are said to be seen. And yet we say not only, See how it shineth, which the eyes alone can perceive; but also, See how it soundeth, see how it smelleth, see how it tasteth, see how hard it is. And thus the general experience of the senses, as was said before, is termed "the lust of the eyes," because the function of seeing, wherein the eyes hold the pre-eminence, the other senses by way of similitude take possession of, whensoever they seek out any knowledge.
55. But by this is it more clearly discerned, when pleasure and when curiosity is pursued by the senses; for pleasure follows after objects that are beautiful, melodious, fragrant, savoury, soft; but curiosity, for experiment's sake, seeks the contrary of these,--not with a view of undergoing uneasiness, but from the passion of experimenting upon and knowing them. For what pleasure is there to see, in a lacerated corpse, that which makes you shudder? And yet if it lie near, we flock thither, to be made sad, and to turn pale. Even in sleep they fear lest they should see it. Just as if when awake any one compelled them to go and see it, or any report of its beauty had attracted them! Thus also is it with the other senses, which it were tedious to pursue. From this malady of curiosity are all those strange sights exhibited in the theatre. Hence do we proceed to search out the secret powers of nature (which is beside our end), which to know profits not, 3 and wherein men desire nothing but to know. Hence, too, with that same end of perverted knowledge we consult magical arts. Hence, again, even in religion itself, is God tempted, when signs and wonders are eagerly asked of Him,--not desired for any saving end, but to make trial only.
56. In this so vast a wilderness, replete with snares and dangers, lo, many of them have I lopped off, and expelled from my heart, as Thou, O God of my salvation, hast enabled me to do. And yet when dare I say, since so many things of this kind buzz around our daily life,--when dare I say that no such thing makes me intent to see it, or creates in me vain solicitude? It is true that the theatres never now carry me away, nor do I now care to know the courses of the stars, nor hath my soul at any time consulted departed spirits; all sacrilegious oaths I abhor. O Lord my God, to whom I owe all humble and single-hearted service, with what subtlety of suggestion does the enemy influence me to require some sign from Thee! But by our King, and by our pure land chaste country Jerusalem, I beseech Thee, that as any consenting unto such thoughts is far from me, so may it always be farther and farther. But when I entreat Thee for the salvation of any, the end I aim at is far otherwise, and Thou who doest what Thou wilt, givest and wilt give me willingly to "follow" Thee. 4
57. Nevertheless, in how many most minute and contemptible things is our curiosity daily tempted, and who can number how often we succumb? How often, when people are narrating idle tales, do we begin by tolerating them, lest we should give offence unto the weak; and then gradually we listen willingly! I do not now-a-days go to the circus to see a dog chasing a hare; 5 but if by chance I pass such a coursing in the fields, it possibly distracts me even from some serious thought, and draws me after it,--not that I turn the body of my beast aside, but the inclination of my mind. And except Thou, by demonstrating to me my weakness, dost speedily warn me, either through the sight itself, by some reflection to rise to Thee, or wholly to despise and pass it by, I, vain one, am absorbed by it. How is it, when sitting at home, a lizard catching flies, or a spider entangling them as they rush into her nets, oftentimes arrests me? Is the feeling of curiosity not the same because these are such tiny creatures? From them I proceed to praise Thee, the wonderful Creator and Disposer of all things; but it is not this that first attracts my attention. It is one thing to get up quickly, and another not to fall, and of such things is my life full; and my only hope is in Thy exceeding great mercy. For when this heart of ours is made the receptacle of such things, and bears crowds of this abounding vanity, then are our prayers often interrupted and disturbed thereby; and whilst in Thy presence we direct the voice of our heart to Thine ears, this so great a matter is broken off by the influx of I know not what idle thoughts.
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Ps. lxiii. 27. ↩
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1 John ii. 16. ↩
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Augustin's great end was to attain the knowledge of God. Hence, in his Soliloquia, i. 7, we read: "Deum et animam scire cupio. Nihilne plus? Nihil omnino." And he only esteemed the knowledge of physical laws so far as they would lead to Him. (See v. sec. 7, above, and the note there.) In his De Ordine, ii. 14, 15, etc., writing at the time of his conversion, he had contended that the knowledge of the liberal sciences would lead to a knowledge of the divine wisdom; but in his Retractations (i. 3, sec. 2) he regrets this, pointing out that while many holy men have not this knowledge, many who have it are not holy. Compare also Enchir. c. 16; Serm. lxviii. 1, 2; and De Civ. Dei, ix. 22. ↩
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John xxi. 22. ↩
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In allusion to those venatios, or hunting scenes, in which the less savage animals were slain. These were held in the circus, which was sometimes planted for the occasion, so as to resemble a forest. See Smith's Greek and Roman Antiquities, under "Venatio," and vi. sec. 13, note, above. ↩