Traduction
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Bekenntnisse
29. Primäre und sekundäre Begriffe.
Aber jener, der die Worte „Im Anfange schuf Gott“ nur in dem Sinne versteht, als ob es hieße „Zuerst schuf Gott“, der kann sich in Wahrheit unter Himmel und Erde nichts anderes vorstellen als den Stoff des Himmels und der Erde, nämlich den ganzen, sowohl für die übersinnliche als auch für die körperliche Schöpfung. Denn wollte er das bereits gebildete All darunter verstehen, so könnte man ihn mit Recht fragen: Wenn Gott das zuerst geschaffen hat, was hat er denn dann später geschaffen? Nach der Erschaffung des Alls wird er nichts mehr finden und deshalb unwillig die neue Frage anhören müssen: Wie hat er dieses zuerst erschaffen, wenn er nichts mehr nachher schuf? Meint er aber, Gott habe zuerst die gestaltlose, dann die gestaltete Welt erschaffen, so ist das nicht ungereimt, wofern er nur fähig ist, dabei zu unterscheiden, was durch seine Ewigkeit, was durch die Länge seiner Zeit, was nach menschlicher Schätzung, was durch seinen Ursprung früher ist: durch seine Ewigkeit zum Beispiel geht Gott allem Erschaffenen voran; durch Länge der Zeit die Blume der Frucht, in der Schätzung der Menschen die Frucht der Blume, dem Ursprunge nach der Ton dem Gesange. Von diesen vier Beispielen, die ich erwähnt habe, sind das erste und letzte sehr schwer, die beiden mittleren dagegen sehr leicht zu verstehen. Denn selten und überaus erhaben, o Herr, ist der Anblick deiner Ewigkeit, die, selbst unwandelbar, das Wandelbare schafft und deshalb ihm zeitlich vorangeht. Wessen Geist ist ferner so scharfsinnig, daß er ohne große Mühe zu unterscheiden vermöchte, wie der Ton früher ist als der Gesang, weil der Gesang gestalteter Ton ist und wohl etwas sein kann, ohne gestaltet zu sein, nicht aber etwas gestaltet S. 332 werden kann, was nicht ist? So ist die Materie früher da als das, was aus ihr gemacht wird; aber nicht deswegen ist sie früher, weil sie die bewirkende Ursache ist, da sie vielmehr selbst erst wird; auch ist sie nicht der Zeit nach früher. Denn es ist nicht so, daß wir zuerst ungestaltete Töne ohne Gesang erschallen lassen und sie erst später zum Gesang umbilden und umformen, wie es bei dem Holze der Fall ist, aus dem wir einen Kasten, oder bei dem Silber, aus dem wir künstliche Gefäße herstellen; derartige Stoffe sind ja der Zeit nach eher vorhanden als die Gebilde von Gegenständen, die aus ihnen gestaltet werden. Aber bei dem Gesange ist es nicht so. Wenn man nämlich singt, so hört man den Schall des Gesanges; es ist nicht etwa zuerst ein formloser Schall da, der erst später zum Gesange gebildet wird. Denn der Schall, der zuerst in irgendeiner Weise erklingt, geht vorüber, und nichts ist davon mehr zu finden, was man wieder aufnehmen und dann künstlich zu Gesang zusammenordnen könnte: deshalb beruht der Gesang auf den Tönen, und diese bilden seine Materie. Diese wird zum Gesange gestaltet, und deshalb ist, wie ich schon vorher sagte, die Materie des Tones früher als die Form des Gesanges; allerdings ist sie nicht etwa früher durch die wirkende Ursache, denn der Ton ist kein Künstler, der den Gesang hervorbringt, sondern der Körper stellt ihn nur der Seele, die singen will, zur Hervorbringung des Gesanges zur Verfügung. Auch der Zeit nach ist der Ton nicht früher; denn Schall und Gesang werden gleichzeitig hervorgebracht. Ebenfalls nicht dem Worte nach; denn der Schall ist nicht mehr als der Gesang, da ja der Gesang nicht bloß Schall, sondern schön gestalteter Gesang ist. Früher ist er nur dem Ursprunge nach; denn der Gesang wird nicht gestaltet, auf daß ein Ton entstehe, sondern der Ton wird gestaltet, auf daß das Lied entstehe. Aus diesem Beispiele mag wer kann erkennen, wie die Materie der Dinge zuerst erschaffen und Himmel und Erde genannt worden ist, weil daraus Himmel und Erde erschaffen worden ist; sie ist nicht der Zeit nach zuerst erschaffen, weil die Gestalten der Dinge erst die Zeit heraufführen; sie selbst war aber gestaltlos und wurde erst in der Zeit zusammen mit S. 333 dem aus ihr gestalteten Himmel und Erde wahr genommen. Und doch läßt sich von ihr nichts anderes sagen, als daß sie vergleichsweise zeitlich früher ist, während sie gewiß geringer zu achten ist, weil das Gestaltete sicherlich besser ist als das Gestaltlose; diesem aber muß vorangehen die Ewigkeit des Schöpfers, damit es aus dem Nichts hervortreten und Gestaltung erhalten kann.
Edition
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Confessiones
Caput 29
At ille, qui non aliter accipit: in principio fecit, quam si diceretur: primo fecit, non habet quomodo veraciter intellegat caelum et terram, nisi materiam caeli et terrae intellegat, videlicet universae, id est intellegibilis corporalisque creaturae. si enim iam formatam velit universam, recte ab eo quaeri poterit, si hoc primo fecit deus, quid fecerit deinceps, et post universitatem non inveniet, ac per hoc audiet invitus: quomodo illud primo, si postea nihil? cum vero dicit primo informem, deinde formatam, non est absurdus, si modo est idoneus discernere, quid praecedat aeternitate, quid tempore, quid electione, quid origine: aeternitate, sicut deus omnia; tempore, sicut flos fructum; electione, sicut fructus florem; origine, sicut sonus cantum. in his quattuor primum et ultimum, quae commemoravi, difficilime intelleguntur, duo media facillime. namque rara visio est et nimis ardua conspicere, domine, aeternitatem tuam incommutabiliter mutabilia facientem, ac per hoc priorem. quis deinde sic acutum cernat animo, ut sine labore magno dinoscere valeat, quomodo sit prior sonus quam cantus, ideo quia cantus est formatus sonus, et esse utique aliquid non formatum potest, formari autem quod non est non potest? sic est prior materies quam id, quod ex ea fit, non ideo prior, quia ipsa efficit, cum potius fiat, nec prior intervallo temporis; neque enim priore tempore sonos edimus informes sine cantu et eos posteriore tempore in formam cantici coaptamus aut fingimus, sicut ligna, quibus arca, vel argentum, quo vasculum fabricatur; tales quippe materiae tempore etiam praecedunt formas rerum, quae fiunt ex eis. at in cantu non ita est. cum enim cantatur, auditur sonus eius, non prius informiter sonat et deinde formatur in cantum. quod enim primo utcumque sonuerit, praeterit, nec ex eo quicquam reperies, quod resumptum arte conponas: et ideo cantus in sono suo vertitur, qui sonus eius materies eius est. idem quippe formatur, ut cantus sit. et ideo, sicut dicebam, prior materies sonandi quam forma cantandi: non per faciendi potentiam prior; neque enim sonus est cantandi: non per faciendi potentiam prior; neque enim sonus est cantandi artifex, sed cantanti animae subiacet ex corpore, de quo cantum faciat; nec tempore prior: simul enim cum cantu editur; nec prior electione: non enim potior sonus quam cantus, quandoquidem cantus est non tantum sonus verum etiam speciosus sonus. sed prior est origine, quia non cantus formatur, ut sonus sit, sed sonus formatur, ut cantus sit. hoc exemplo qui potest intellegat materiam rerum primo factam et appellatam caelum et terram, quia inde facta sunt caelum et terra, nec tempore primo factam, quia formae rerum exserunt tempora, illa autem erat informis iamque in temporibus simul animadvertitur, nec tamen de illa narrari aliquid potest, nisi velut tempore prior sit, cum pendatur extremior, quia profecto meliora sunt formata quam informia, et praecedatur aeternitate creatoris, ut esset de nihilo, unde aliquid fieret.