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Bekenntnisse
6. Sein Schmerz über des Freundes Tod.
Doch wozu sage ich das alles? Jetzt ist nicht die Zeit zu fragen, sondern dir zu bekennen. Ich war elend, und elend ist jegliche Seele, die von der Liebe zu irdischen Dingen gefesselt, durch ihren Verlust zerrissen wird und dann erst das Elend fühlt, in dem es doch schon vor dem Verluste schmachtete. So war damals mein Zustand, ich weinte bitterlich und suchte in Bitterkeit Ruhe. Trotz meines Unglückes aber war mir mein damaliges elendes Leben doch lieber als mein Freund. Denn wenn ich auch es anders gewünscht hätte, so hätte ich es doch nicht -lieber als den Freund verloren. Ja vielleicht hätte ich es nicht einmal für ihn hingeben wollen, so wie es von Orestes und Pylades erzählt wird (wenn anders die Geschichte wahr ist), die für einander S. 66 oder gleichzeitig sterben wollten, da ihnen voneinander getrennt zu leben herber als der Tod dünkte. Aber in mir herrschten merkwürdige, ganz entgegengesetzte Stimmungen: ärgster Überdruß am Leben, stärkste Furcht vor dem Tode. Ich glaube, je mehr ich meinen Freund liebte, desto mehr haßte und fürchtete ich den Tod, welcher mir ihn geraubt hatte, als meinen grimmigsten Feind und meinte, er würde nun mit einem Male alle Menschen wegraffen, weil er das an ihm vermocht. So war - ich erinnere mich dessen - ganz und gar meine Stimmung. Siehe mein Herz, o mein Gott, schaue in sein Inneres; deshalb richte, meine Hoffnung, die du mich reinigst von so unreinen Neigungen, deine Augen auf mich und löse „meine Füße aus der Schlinge“1. Ich wunderte mich, daß die übrigen Menschen noch lebten, da der gestorben war, den ich geliebt hatte, als ob er nie sterben würde; mehr noch wunderte ich mich, daß ich nach dem Tode desjenigen leben konnte, dessen anderes Ich ich war. Treffend hat jemand seinen Freund „die Hälfte seiner Seele“2 genannt. Denn ich hatte die Empfindung, daß meine und seine Seele nur eine in zwei Körpern gewesen seien, und deshalb war mir das Leben zum Greuel, weil ich es nicht halb leben wollte, und wiederum fürchtete ich mich zu sterben, damit nicht jener ganz sterbe, den ich so sehr geliebt hatte3.
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Confessiones (CSEL)
Caput 6
Quid autem ista loquor? non enim tempus quaerendi nunc est, sed confitendi tibi. miser eram, et miser est omnis animus vinctus amicitia rerum mortalium, et dilaniatur, cum eas amittit, et tunc sentit miseriam, qua miser est et antequam amittat eas. sic ego eram illo tempore, et flebam amarissime et requiescebam in amaritudine. ita miser eram, et habebam cariorem illo amico meo vitam ipsam miseream. nam quamvis eam mutare vellem, nollem tamen amittere magis quam illum; et nescio an vellem vel pro illo, sicut de Oreste et Pylade traditur, si non fingitur, qui vellent pro invicem simul mori, quia morte peius eis erat non simul vivere. sed in me nescio quis affectus nimis huic contrarius ortus erat, et taedium vivendi erat in me gravissimum et moriendi metus. credo, quo magis illum amabam, hoc magis mortem, quae mihi eum abstulerat, tamquam atrocissimam inimicam oderam et timebam; et eam repente consumpturam omnes homines putabam, quia illum potuit. sic eram omnino, memini. ecce cor meum, deus meus, ecce intus; vide, quia memini, spes mea, qui me mundas a talium affectionum inmunditia, dirigens oculos meos ad te, et evellens de laqueo pedes meos. mirabar enim ceteros mortales vivere, quia ille, quem quasi non moriturum dilexeram, mortuus erat; et me magis, quia ille alter eram, vivere illo mortuo mirabar. bene quidam dixit de amico suo: dimidium animae suae. nam ego sensi animam meam et animam illius unam fuisse animam in duobus corporibus, et ideo mihi horrori erat vita, quia nolebam dimidius vivere; et ideo forte mori metuebam, ne totus ille moreretur, quem multum amaveram.