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Werke Augustinus von Hippo (354-430) Confessiones

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Bekenntnisse

16. Die Kategorien des Aristoteles und andere philosophische Fragen erfasst er ohne Beihilfe eines Lehrers.

Und was nützte es mir, daß mir in meinem zwanzigsten Lebensjahre ein Werk des Aristoteles mit dem Titel „Von den zehn Kategorien“1 in die Hände fiel? Da mein Lehrer, ein Redner zu Karthago, und andere, die für gelehrt galten, sie immer nur mit stolz aufgeschwollenen Backen erwähnten, fiel ich über sie wie über etwas Großes und Göttliches her. Was nun nützte mir Lektüre und Studium dieses Werkes? Besprach ich mich mit Freunden, die mir versicherten, sie hätten es kaum unter der Leitung der gelehrtesten Lehrer verstanden, obwohl diese es nicht nur durch Worte erklärt, sondern auch durch vielfache Zeichnungen anschaulich gemacht hätten, so konnten sie mir nichts anderes sagen als was ich selbst schon gefunden hatte, da ich es allein las. Auch schien mir das Werk deutlich genug über die Substanzen zu sprechen, so z. B. über die Substanz Mensch, und über das, was sich in den Substanzen findet, z. B. über die Gestalt des Menschen wie er aussieht, wie groß er ist, seine Verwandtschaft, wessen Bruder er ist; wo er seinen Wohnsitz hat oder wann er geboren S. 79 ist; ob er steht oder sitzt, beschuht oder bewaffnet ist, etwas tut oder leidet, kurz alles, was sonst noch - das ist aber unzählig viel - unter die neun Gattungen von diesen Kategorien, von denen ich einige des Beispiels halber hergesetzt habe, oder unter die Substanzkategorie gehört.

Was nützte mir dieses? Ja es hat mir sogar geschadet, da ich in dem Wahne, jene zehnfache Prädizierung umfasse alles erdenkliche Sein, auch dich, o mein Gott, dich, den wunderbar Einfachen und Unvergänglichen, in der Weise verstehen wollte, als ob du von deiner Größe und Schönheit abhängig seiest, so daß diese nur Eigenschaften an dir seien wie an einem Körper; und doch bist du selbst deine Größe und Schönheit, der Körper ist aber nicht insofern Körper, weil er groß und schön ist, weil er ja auch Körper bliebe, wenn er weniger groß und weniger schön wäre. Verkehrtheit war es also, was ich von dir dachte, nicht Wahrheit, Truggebilde meines elenden Wahns, nicht der feste Boden deiner Seligkeit. Denn du hattest befohlen, und so geschah mir, daß mir „die Erde Disteln und Dornen“2 hervorbrachte und ich nur unter Mühen mein Brot finden sollte.

Und welchen Nutzen brachte es mir, daß ich, damals der schlimmste Sklave böser Lüste, alle Bücher der sogenannten freien Künste für mich las und, soweit ich sie nur zu lesen bekam, auch zu verstehen suchte? Ich fand meine Freude an ihnen, wußte aber nicht, woher das Wahre und Gewisse in ihnen stamme. Denn ich hatte dem Lichte meinen Rücken und mein Angesicht dem Beleuchteten zugekehrt, so daß mein Gesicht selbst, mit dem ich das Erleuchtete schaute, nicht erleuchtet war. Was alles ich von der Kunst der Beredsamkeit und der Erörterung, von Geometrie, von Musik und Arithmetik ohne große Schwierigkeit, ohne irgendeinen Lehrer gelernt habe, du weißt es, Herr mein Gott, weil ja rasches Verständnis und Schärfe des Urteils dein Geschenk sind. Aber ich brachte dir dafür kein Dankopfer dar, und darum brachten sie mir nicht Nutzen, sondern vielmehr S. 80 Verderben; denn ich war nur darauf bedacht, einen so guten Teil meines Vermögens für mich zu behalten, und „ich bewahrte meine Stärke nicht für dich auf“3, sondern „zog weg von dir in ein fernes Land“4, um es in buhlerischer Begier zu vergeuden. Denn was nützte mir mein Vermögen, da ich von ihm keinen guten Gebrauch machte? Ich achtete nicht einmal darauf, wie jene Künste auch von den Fleißigsten und Tüchtigsten nur sehr schwer verstanden wurden, es sei denn, daß ich sie ihnen zu erklären versuchte, und ich hielt den für den Trefflichsten unter ihnen, der meiner Erklärung nicht allzu langsam folgte.

Aber was nutzte mir das in meinem Wahne, daß du, Herr, Gott, Wahrheit, ein ungeheurer Lichtkörper seiest und ich ein Teilchen von jenem Körper? Unendliche Verkehrtheit! Aber ich war so und erröte nicht, mein Gott, dir deine Barmherzigkeit gegen mich zu bekennen und dich anzurufen; damals habe ich mich nicht geschämt, den Menschen meine Gotteslästerungen laut vorzutragen und gegen dich zu bellen. Was nützte mir also damals mein Geist, der sich so rasch in jenen Wissenschaften zurechtfand, und was nützten mir die Bücher, deren Lehren ich trotz ihrer Schwierigkeiten ohne Beihilfe menschlichen Unterrichts mir völlig zu eigen machte, da ich in der Lehre des Heils so häßlich und in gotteslästerlicher Schande dem Irrtum anhing? Und was schadete deinen Kleinen ihre weit langsamere Fassungskraft, da sie sich nicht so weit von dir entfernten, sondern im Neste deiner Kirche in Sicherheit flügge wurden und die Schwingen der Liebe durch die Nahrung gesunden Glaubens zur vollen Entwicklung brachten? O Herr unser Gott, „unter dem Schatten deiner Flügel“5 wollen wir hoffen, du aber "schütze" und trage uns. Du wirst uns tragen; tragen wirst du uns in der Jugend, und „bis ins Greisenalter“6 wirst du uns tragen, Denn bist du unsere Stärke, so ist es tatsächlich S. 81 Stärke, verlassen wir uns aber auf unsere Stärke, so sind wir kraftlos. Bei dir lebt ewig unser Gut, und weil wir uns von dir abgekehrt haben, darum sind wir verkehrt worden. Wir wollen zu dir zurückkehren, um nicht ausgekehrt zu werden; denn bei dir lebt in herrlicher Fülle unser Gut, weil du es selbst bist; und deshalb brauchen wir nicht zu fürchten, daß es uns an einer Heimat zur Rückkehr gebreche, als wir von dort hinwegstürzten. Sind wir auch ferne, unser Haus, deine Ewigkeit, stürzt nicht ein. S. 82


  1. Die Kategorien des Aristoteles sind: A. Die Grundkategorie des Seins (ἡ οὐσία). B. Die akzidentiellen Kategorien 1) der Qualität (τὸ ποιὸν); 2) der Größe (τὸ ποσόν); 3) der Beziehung zu anderem Sein (τὸ πρὸς τί); des Raumes (ποῦ); 5) der Zeit (ποτέ); 6) der Lage (κεῖσθαι); 7) der einzelnen Merkmale (ἔχεσθαι); 8) des Tuns (ποιεῖν); 9) des Leidens (πάσχειν). ↩

  2. Gen. 3,18. ↩

  3. Ps. 58,10. ↩

  4. Luk. 15,13. ↩

  5. Ps. 62,8 und 16,8. ↩

  6. Js. 46,4. ↩

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The Confessions of St. Augustin In Thirteen Books

Chapter XVI.--He Very Easily Understood the Liberal Arts and the Categories of Aristotle, But Without True Fruit.

28. And what did it profit me that, when scarce twenty years old, a book of Aristotle's, entitled The Ten Predicaments, fell into my hands,--on whose very name I hung as on something great and divine, when my rhetoric master of Carthage, and others who were esteemed learned, referred to it with cheeks swelling with pride,--I read it alone and understood it? And on my conferring with others, who said that with the assistance of very able masters--who not only explained it orally, but drew many things in the dust 1 --they scarcely understood it, and could tell me no more about it than I had acquired in reading it by myself alone? And the book appeared to me to speak plainly enough of substances, such as man is, and of their qualities,--such as the figure of a man, of what kind it is; and his stature, how many feet high; and his relationship, whose brother he is; or where placed, or when born; or whether he stands or sits, or is shod or armed, or does or suffers anything; and whatever innumerable things might be classed under these nine categories, 2 --of which I have given some examples,--or under that chief category of substance.

29. What did all this profit me, seeing it even hindered me, when, imagining that whatsoever existed was comprehended in those ten categories, I tried so to understand, O my God, Thy wonderful and unchangeable unity as if Thou also hadst been subjected to Thine own greatness or beauty, so that they should exist in Thee as their subject, like as in bodies, whereas Thou Thyself art Thy greatness and beauty? But a body is not great or fair because it is a body, seeing that, though it were less great or fair, it should nevertheless be a body. But that which I had conceived of Thee was falsehood, not truth,--fictions of my misery, not the supports of Thy blessedness. For Thou hadst commanded, and it was done in me, that the earth should bring forth briars and thorns to me, 3 and that with labour I should get my bread. 4

30. And what did it profit me that I, the base slave of vile affections, read unaided, and understood, all the books that I could get of the so-called liberal arts? And I took delight in them, but knew not whence came whatever in them was true and certain. For my back then was to the light, and my face towards the things enlightened; whence my face, with which I discerned the things enlightened, was not itself enlightened. Whatever was written either on rhetoric or logic, geometry, music, or arithmetic, did I, without any great difficulty, and without the teaching of any man, understand, as Thou knowest, O Lord my God, because both quickness of comprehension and acuteness of perception are Thy gifts. Yet did I not thereupon sacrifice to Thee. So, then, it served not to my use, but rather to my destruction, since I went about to get so good a portion of my substance 5 into my own power; and I kept not my strength for Thee, 6 but went away from Thee into a far country, to waste it upon harlotries. 7 For what did good abilities profit me, if I did not employ them to good uses? For I did not perceive that those arts were acquired with great difficulty, even by the studious and those gifted with genius, until I endeavoured to explain them to such; and he was the most proficient in them who followed my explanations not too slowly.

31. But what did this profit me, supposing that Thou, O Lord God, the Truth, wert a bright and vast body, 8 and I a piece of that body? Perverseness too great! But such was I. Nor do I blush, O my God, to confess to Thee Thy mercies towards me, and to call upon Thee--I, who blushed not then to avow before men my blasphemies, and to bark against Thee. What profited me then my nimble wit in those sciences and all those knotty volumes, disentangled by me without help from a human master, seeing that I erred so odiously, and with such sacrilegious baseness, in the doctrine of piety? Or what impediment was it to Thy little ones to have a far slower wit, seeing that they departed not far from Thee, that in the nest of Thy Church they might safely become fledged, and nourish the wings of charity by the food of a sound faith? O Lord our God, under the shadow of Thy wings let us hope, 9 defend us, and carry us. Thou wilt carry us both when little, and even to grey hairs wilt Thou carry us; 10 for our firmness, when it is Thou, then is it firmness; but when it is our own, then it is infirmity. Our good lives always with Thee, from which when we are averted we are perverted. Let us now, O Lord, return, that we be not overturned, because with Thee our good lives without any eclipse, which good Thou Thyself art. 11 And we need not fear lest we should find no place unto which to return because we fell away from it; for when we were absent, our home--Thy Eternity--fell not.


  1. As the mathematicians did their figures, in dust or sand. ↩

  2. "The categories enumerated by Aristotle are ousia, poson, poion, prosti, pou, pote, keisthai, echein, poiein, paschein; which are usually rendered, as adequately as perhaps they can be in our language, substance, quantity, quality, relation, place, time, situation, possession, action, suffering. The catalogue (which certainly is but a very crude one) has been by some writers enlarged, as it is evident may easily be done by subdividing some of the heads; and by others curtailed, as it is no less evident that all may ultimately be referred to the two heads of substance and attribute, or, in the language of some logicians, accident'" (Whately's Logic, iv. 2, sec. 1, note). "These are called in Latin the praedicaments, because they can be said or predicated in the same sense of all other terms, as well as of all the objects denoted by them, whereas no other term can be correctly said of them, because no other is employed to express the full extent of their meaning" (Gillies, Analysis of Aristotle, c. 2). ↩

  3. Isa. xxxii. 13. ↩

  4. Gen. iii. 19. ↩

  5. Luke xv. 12. ↩

  6. Ps. lix. 9, Vulg. ↩

  7. Luke xv. 13. ↩

  8. See iii. 12; iv. 3, 12; v. 19. ↩

  9. Ps. xxxvi. 7. ↩

  10. Isa. xlvi. 4. ↩

  11. See xi. sec. 5, note, below. ↩

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Prolegomena
The Opinion of St. Augustin Concerning His Confessions, as Embodied in His Retractations, II. 6
Translator's Preface - Confessions

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