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Werke Augustinus von Hippo (354-430) Confessiones

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Bekenntnisse

6. Faustus ist ein beredter, aber der freien Wissenschaften unkundiger Mann.

Und fast die ganzen neun Jahre, während deren ich unsteten Geistes dieser Sekte angehörte, erwartete ich mit immer neuem Verlangen die Ankunft jenes Faustus. Denn die andern Manichäer, mit denen ich etwa zusammentraf und die den von mir gestellten Fragen nicht gewachsen waren, vertrösteten mich auf seine Ankunft der persönliche Verkehr und die mündliche Unterredung mit ihm würde noch ganz andere Schwierigkeiten aufs leichteste und deutlichste entwirren. Sobald er also kam, fand ich in ihm einen angenehmen, witzigen Mann, der über dieselben Lehren, die jene vortrugen, weit angenehmer plauderte. Was aber fragte mein Durst nach den prächtigen Bechern, mochte sie auch der gefälligste Mundschenk darreichen? Solcher Dinge waren nun einmal meine Ohren satt, und sie erschienen mir nicht etwa deshalb besser, weil sie in besserer Form vorgetragen wurden, und nicht deshalb wahr, weil sie beredt klangen, und seine Seele nicht deshalb weise, weil sein Mienenspiel ansprechend und sein Ausdruck passend war. Jene aber, die ihn mir verheißen hatten, waren gar nicht imstande, die Sachlage richtig zu beurteilen; S. 90 deshalb erschien er ihnen klug und weise, weil er sie durch seine Reden ergötzte. Ich lernte aber auch eine andere Gruppe von Menschen kennen, denen sogar die Wahrheit verdächtig war und die ihr nicht trauen wollten, wenn sie in schwungvoller und reicher Rede vorgebracht wurde. Mich aber hattest du bereits belehrt, mein Gott, in wunderbar geheimnisvoller Weise, und deshalb, meine ich, hast du mich belehrt, weil es wahr ist und es außer dir keinen anderen Lehrer der Wahrheit gibt, wo und woher immer sie an den Tag treten mag. Von dir also hatte ich bereits gelernt, daß etwas nicht deshalb als wahr angesehen werden kann, weil es beredt vorgetragen wird, noch deshalb als falsch, weil die Laute holpricht von den Lippen kommen, hinwiederum aber auch nicht deshalb als wahr, weil es ungeschickt verkündet wurde, noch auch deshalb falsch, weil es sich in glänzende Worte hüllte, sondern: daß es sich mit Weisheit und Torheit verhalte wie mit nützlichen und schädlichen Speisen, daß aber in schmuckreichen und schmucklosen Worten ebenso wie in vornehmen und rohen Gefäßen beiderlei Speisen vorgesetzt werden können.

So ward zwar meine Begierde, mit der ich jenen Mann so lange erwartet hatte, durch die Gebärden und die Begeisterung des Redners und durch seine Gewandtheit im Ausdrucke, der ihm stets ohne Schwierigkeiten bei der Hand war, gestillt. Ich erfreute mich an seinen Vorzügen und pries sie mit meinen Freunden, ja vielleicht noch mehr als sie; aber das war mir unangenehm, daß ich nicht im Kreise seiner Zuhörer ihm in vertraulichem Zwiegespräch die Zweifel, die mich drückten, vortragen und mitteilen durfte. Als ich aber soweit war und mit meinen Freunden bei passender Zeit sein Gehör in Anspruch nahm, wobei ich einiges, das mir aufgefallen war, vorbrachte, da fand ich in ihm einen Mann, der von den freien Künsten nur die Grammatik und auch diese nur sehr mäßig beherrschte. Er hatte einige Reden Ciceros gelesen, sehr wenige Schriften von Seneca, dann noch etwas Dichter und die Werke seiner Sekte, die in gut stilisiertem Latein geschrieben waren; aber da er täglich Gelegenheit hatte, Reden zu halten, so hatte er S. 91 dadurch eine Redefertigkeit gewonnen, die durch die Geschmeidigkeit seines Geistes und eine gewisse natürliche Anmut nur angenehmer und verführerischer wurde. Ist es so, o Herr, o Herr mein Gott, du Richter meines Gewissens? Mein Herz und meine Erinnerung liegen offen vor dir, der du schon damals mich nach dem verborgenen Geheimnisse deiner Vorsehung leitetest und meine schmachvollen Irrtümer mir „vor die Augen führtest“1, daß ich sie sähe und hassenswert fände.


  1. Ps. 49,21. ↩

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The Confessions of St. Augustin In Thirteen Books

Chapter VI.--Faustus Was Indeed an Elegant Speaker, But Knew Nothing of the Liberal Sciences.

10. And for nearly the whole of those nine years during which, with unstable mind, I had been their follower, I had been looking forward with but too great eagerness for the arrival of this same Faustus. For the other members of the sect whom I had chanced to light upon, when unable to answer the questions I raised, always bade me look forward to his coming, when, by discoursing with him, these, and greater difficulties if I had them, would be most easily and amply cleared away. When at last he did come, I found him to be a man of pleasant speech, who spoke of the very same things as they themselves did, although more fluently, and in better language. But of what profit to me was the elegance of my cup-bearer, since he offered me not the more precious draught for which I thirsted? My ears were already satiated with similar things; neither did they appear to me more conclusive, because better expressed; nor true, because oratorical; nor the spirit necessarily wise, because the face was comely and the language eloquent. But they who extolled him to me were not competent judges; and therefore, as he was possessed of suavity of speech, he appeared to them to be prudent and wise. Another sort of persons, however, was, I was aware, suspicious even of truth itself, if enunciated in smooth and flowing language. But me, O my God, Thou hadst already instructed by wonderful and mysterious ways, and therefore I believe that Thou instructedst me because it is truth; nor of truth is there any other teacher--where or whencesoever it may shine upon us 1 --but Thee. From Thee, therefore, I had now learned, that because a thing is eloquently expressed, it should not of necessity seem to be true; nor, because uttered with stammering lips, should it be false nor, again, perforce true, because unskilfully delivered; nor consequently untrue, because the language is fine; but that wisdom and folly are as food both wholesome and unwholesome, and courtly or simple words as town-made or rustic vessels,--and both kinds of food may be served in either kind of dish.

11. That eagerness, therefore, with which I had so long waited for this man was in truth delighted with his action and feeling when disputing, and the fluent and apt words with which he clothed his ideas. I was therefore filled with joy, and joined with others (and even exceeded them) in exalting and praising him. It was, however, a source of annoyance to me that I was not allowed at those meetings of his auditors to introduce and impart 2 any of those questions that troubled me in familiar exchange of arguments with him. When I might speak, and began, in conjunction with my friends, to engage his attention at such times as it was not unseeming for him to enter into a discussion with me, and had mooted such questions as perplexed me, I discovered him first to know nothing of the liberal sciences save grammar, and that only in an ordinary way. Having, however, read some of Tully's Orations, a very few books of Seneca and some of the poets, and such few volumes of his own sect as were written coherently in Latin, and being day by day practised in speaking, he so acquired a sort of eloquence, which proved the more delightful and enticing in that it was under the control of ready tact, and a sort of native grace. Is it not even as I recall, O Lord my God, Thou judge of my conscience? My heart and my memory are laid before Thee, who didst at that time direct me by the inscrutable mystery of Thy Providence, and didst set before my face those vile errors of mine, in order that I might see and loathe them.


  1. Sec. vii. sec. 15, below. ↩

  2. "This was the old fashion of the East, where the scholars had liberty to ask questions of their masters, and to move doubts as the professors were reading, or so soon as the lecture was done. Thus did our Saviour with the doctors (Luke ii. 46). So it is still in some European Universities."--W. W. ↩

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Prolegomena
The Opinion of St. Augustin Concerning His Confessions, as Embodied in His Retractations, II. 6
Translator's Preface - Confessions

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