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Bekenntnisse
6. Die Zufriedenheit armer Bettler ist besser als das Elend der Ehrgeizigen.
Ich trachtete gierig nach Ehre, nach Reichtum, nach ehelicher Verbindung, und du lachtest mein. In diesen Begierden erduldete ich die herbsten Bedrängnisse, indes du dich umso gnädiger erwiesest, je weniger du mich an etwas außer dir Freude empfinden ließest. Sieh mein Herz, Herr, der ich nach deinem Willen mich dessen entsinne und es dir bekenne. Nun soll dir meine Seele anhangen, die du aus so fester Todesschlinge befreit hast. Wie elend war sie! Du wühltest noch im Schmerze ihrer Wunde, so daß sie alles verließ, sich zu dir wandte, „der da ist über alles“1 und ohne den nichts wäre, und Heilung fand. Wie war ich elend, und wie hast du mich mein Elend fühlen lassen damals an jenem Tage, da ich mich zu einer Lobrede auf den Kaiser2 vorbereitete, in der ich viel Unwahres vorbringen mußte, auf daß mir für meine Lügen Gunst erwiesen werde von denen, die darum wußten. Keuchend unter der Last dieser S. 114 Sorgen, glühend im Fieber verzehrender Gedanken, sah ich auf einer Straße Mailands einen armen Bettler, der, wenn ich recht bin, angetrunken und deshalb heiter und guter Dinge war. Da seufzte ich auf und sprach mit meinen Freunden, die mich begleiteten, wie viele Schmerzen uns doch unsere Torheiten bereiteten. Mit all den Plänen, mit denen ich mich damals abmühte, da ich unter dem Stachel meiner Leidenschaft die Bürde meines Elends trug und ihr Druck mir immer schwerer wurde, wollte ich nur ein geruhiges Glück erlangen; in diesem Bestreben war mir aber jener Bettler zuvorgekommen, und es war zweifelhaft, ob ich je dahin gelangen würde. Denn was jener bereits mit einigen erbettelten Pfennigen erreicht hatte, nämlich die Freude zeitlichen Glücks, dahin suchte ich noch auf so krummen Wegen und Umwegen zu gelangen. Zwar hatte er nicht die wahre Freude, aber ich suchte durch meine Bemühungen noch etwas viel Verkehrteres. Und er war wenigstens froh, ich aber voller Angst, er sorglos, ich voller Unruhe. Und hätte mich jemand gefragt, ob ich lieber frohlocken oder mich fürchten wollte, so hätte ich geantwortet: "Lieber frohlocken"; hinwiederum, wenn er gefragt hätte, ob ich lieber so wie jener Bettler sein wolle oder so wie ich damals war, so hätte ich doch mir trotz Sorgen und Gram, die mich aufrieben, den Vorzug gegeben. Wäre es aber der Ausdruck meiner Überzeugung gewesen? Nein, meiner Verkehrtheit! Denn ich durfte mich ihm nicht deshalb vorziehen, weil ich gelehrter war; schöpfte ich doch daraus keine Freude, sondern suchte nur den Menschen zu gefallen, nicht um sie zu belehren, sondern nur um ihnen zu gefallen. Deshalb „zerschlugst du meine Gebeine“3 mit der Rute deiner Zucht.
Es mögen weichen von meiner Seele die, die ihr sagen: "Es kommt darauf an, worüber man sich freut". Jener Bettler freute sich seines Rausches, du dich deines Ruhmes. Welches Ruhmes, o Herr? Ein Ruhm, der nicht in dir ist. Denn wie es keine wahre Freude war, so war auch das kein wahrer Ruhm, und er verkehrte meinen Geist nur noch mehr. Jener sollte noch S. 115 in derselben Nacht seinen Rausch verschlafen; Ich aber war bis dahin mit dem meinigen schlafen gegangen und aufgestanden und sollte auch noch fürderhin mit ihm schlafen gehen und aufstehen. Siehe, wie viele Tage noch? Gewiß kommt es darauf an, weshalb man sich freut, ich weiß es; und ein unvergleichlicher Unterschied ist zwischen der Freude gläubiger Hoffnung und jenem Wahne. Und doch war auch damals ein Unterschied zwischen uns; er war offenbar der Glücklichere, nicht nur deshalb, weil Heiterkeit ihn umfloß, während ich von Sorgen verzehrt wurde, sondern auch deshalb, weil er für seine guten Wünsche Wein gespendet erhielt, ich dagegen durch Lügen Befriedigung meines Stolzes erstrebte. In diesem Sinne habe ich damals vieles meinen Freunden gesagt und dabei achtete ich oft, wie mir zu Mute sei; und wenn ich dann fand, daß mir übel zu Mute sei, so klagte ich und verdoppelte dadurch mein Übel; lächelte mir aber einmal das Glück, so verdroß es mich, danach zu greifen, weil es doch entschwand, bevor ich es festhalten konnte.
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Confessiones (CSEL)
Caput 6
Inhiabam honoribus, lucris, coniugio, et tu inridebas. patiebar in eis cupiditatibus amarissimas difficultates, te propitio tanto magis, quanto minus sinebas mihi dulcescere quod non eras tu. vide cor meum, domine, qui voluisti, ut hoc recordarer et confiterer tibi. nunc tibi inhaereat anima mea, quam de visco tam tenaci mortis exuisti. quam misera erat! et sensum vulneris tu pungebas, ut relictis omnibus converteretur ad te, qui es super omnia et sine quo nulla essent omnia, converteretur et sanaretur. quam ergo miser eram, et quomodo egisti, ut sentirem miseriam meam, die illo, quo cum pararem recitare imperatori laudes, quibus plura mentirer, et mentienti faveretur ab scientibus, easque curas anhelaret cor meum et cogitationum tabificarum febribus aestuaret, transiens per quendam vicum Mediolanensem, animadverti pauperem mendicum, iam, credo, saturum iocantem atque laetantem. et ingemui et locutus sum cum amicis, qui mecum erant, multos dolores insaniarum nostratum; quia omnibus talibus conatibus nostris, (qualibus tunc laborabam, sub stimulis cupiditatum trahens infelicitatis meae sarcinam, et trahendo exaggerans) nihil vellemus aliud nisi ad securam laetitiam pervenire, quo nos mendicus ille iam praecessisset, numquam illuc fortasse venturos. quod enim iam ille pauculis et emendicatis nummulis adeptus erat, ad hoc ego tam aerumnosis anfractibus et circuitibus ambiebam, ad laetitiam scilicet temporalis felicitatis. Non enim verum gaudium habebat: sed et ego illis ambitionibus multo falsius quaerebam. et certe ille laetabatur, ego anxius eram, securus ille, ego trepidus. et si quisquam percontaretur me, utrum mallem exultare an metuere, responderem: exultare; rursus si rogaret, utrum me talem mallem, qualis ille, an qualis ego tunc essem, me ipsum curis timoribusque confectum eligerem, sed perversitate; numquid veritate? neque enim eo me praeponere illi debebam, quo doctior eram, quoniam non inde gaudebam, sed placere inde quaerebam hominibus, non ut eos docerem, sed tantum et placerem. propterea et baculo disciplinae tuae confringebas ossa mea. Recedant ergo ab anima mea qui dicunt ei: interest, unde quis gaudeat. gaudebat mendicus ille vinulentia, tu gloria. qua gloria, domine? quae non est in te. nam sicut verum gaudium non erat, ita nec illa vera gloria; et amplius vertebat mentem meam. et ille ipsa nocte digesturus erat ebrietatem suam, ego cum mea dormieram et surrexeram, et dormiturus et surrecturus eram; vide quot dies! interest vero, unde quis gaudeat, scio, et gaudium spei fidelis incomparabiliter distat ab illa vanitate. sed et tunc distabat inter nos: nimirum quippe ille felicior erat, non tantum quod hilaritate perfundebatur, cum ego curis eviscerarer, verum etiam quod ille bene optando adquisiverat vinum, ego mentiendo quaerebam typhum. dixi tunc multa in hac sententia caris meis; et saepe advertebam in his, quomodo mihi esset, et inveniebam male mihi esse; et dolebam et conduplicabam ipsum male; et si quid adrisset prosperum, taedebat adprehendere, quia paene priusquam teneretur avolabat.