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Confessiones (CSEL)
Caput 10
Impendente autem die, quo ex hac vita erat exitura -- quem diem tu noveras ignorantibus nobis -- provenerat, ut credo, procurante te occultis tuis modis, ut ego et ipsa soli staremus incumbentes ad quandam fenestram, unde hortus intra domum, quae nos habebat, prospectabatur, illic apud Ostia Tiberina, ubi remoti a turbis post longi itineris laborem instaurabamus nos navigationi. conloquebamur ergo soli valde dulciter; et praeterita obliviscentes in ea quae ante sunt extenti, quaerebamus inter nos apud praesentem veritatem, quod tu es, qualis futura esset vita aeterna sanctorum, quam nec oculus vidit nec auris audivit nec in cor hominis ascendit. sed inhiabamus ore cordis in superna fluenta fontis tui, fontis vitae, qui est apud te; ut inde pro captu nostro aspersi, quoquo modo rem tantam cogitaremus. Cumque ad eum finem sermo perduceretur, ut carnalium sensuum delectatio quantalibet, in quantalibet luce corporea, prae illius vitae iucunditate non conparatione, sed ne conmemoratione quidem digna videretur, erigentes nos ardentiore affectu in id ipsum, perambulavimus gradatim cuncta corporalia, et ipsum caelum, unde sol et luna et stellae lucent super terram. et adhuc ascendebamus, interius cogitando et loquendo et mirando opera tua, et venimus in mentes nostras et transcendimus eas, ut attingeremus regionem ubertatis indeficientis, unde pascis Israel in aeternum veritate pabulo, et ibi vita sapientia est, per quam fiunt omnia ista, et quae fuerunt et quae futura sunt. et ipsa non fit, sed sic est, ut fuit, et sic erit semper: quin potius fuisse et futurum esse non est in ea, sed esse solum, quoniam aeterna est: nam fuisse et futurum esse non est aeternum. et dum loquimur et inhiamus illi, attingimus eam modice tot ictu cordis; et suspiravimus, et reliquimus ibi religatas primitias spiritus, et remeavimus ad strepitum oris nostri, ubi verbum et incipitur et finitur. et quid simile verbo tuo, domino nostro, in se permanenti sine vetustate atque innovanti omnia? Dicebamus ergo: se cui sileat tumultus carnis, sileant phantasiae terrae et aquarum et aeris, sileant et poli et ipsa sibi anima sileat, et transeat se non se cogitando, sileant somnia et imaginariae revelationes, omnis lingua et omne signum et quidquid transuendo fit si cui sileat omnino -- quoniam si quis audiat, dicunt haec omnia: Non ipsa nos fecimus, sed fecit nos qui manet in aeternum: -- his dictis si iam taceant, quoniam erexerunt aurem in eum, qui fecit ea, et loquatur ipse solus non per ea, sed per se ipsum, ut audiamus verbum eius, non per linguam carnis neque per vocem angeli nec per sonitum nubis nec per aenigma similitudinis, sed ipsum, quem in his amamus, ipsum sine his audiamus, sicut nunc extendimus nos et rapida cogitatione attingimus aeternam sapientiam super omnia manentem, se continuetur hoc et subtrahantur aliae visiones longe inparis generis, et haec una rapiat et absorbeat et recondat in interiora gaudia spectatorem suum, ut talis sit sempiterna vita, quale fuit hoc momentum intellegentiae, cui suspiravimus, nonne hoc est: Intra in gaudium domini tui? et istud quando? an cum omnes resurgimus, sed non omnes inmutabimur? Dicebam talia, etsi non isto modo et his verbis, tamen, domine, tu scis, quod illo die, cum talia loqueremur et mundus iste nobis inter verba vilesceret cum omnibus delectationibus suis, tunc ait illa: fili, quantum ad me adtinet, nulla re iam delector in hac vita. quid hic faciam adhuc et cur hic sim, nescio, iam consumpta spe huius saeculi. unum erat, propter quod in hac vita aliquantum inmorari cupiebam, ut te Christianum catholicum viderem, priusquam morerer. cumulatius hoc mihi deus praestitit, ut te etiam contemta felicitate terrena servum eius videam. quid hic facio?
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Bekenntnisse
10. Sein Gespräch mit der Mutter vom Himmelreich.
Als aber der Tag nahte, an dem sie aus diesem Leben scheiden sollte - du kanntest diesen Tag, wir nicht -, da geschah es, wie ich glaube durch deine geheime Fügung, daß ich und sie an ein Fenster gelehnt standen, das eine Aussicht auf den Garten innerhalb des Hauses, das wir bewohnten, bot; dort in Ostia war es an der Tiber, wo wir fern vom Geräusche der Welt nach den Anstrengungen einer so langen Reise Kräfte für die Seefahrt sammelten. Wir unterhielten uns also allein in gar süßem Gespräche; „der Vergangenheit vergessend, streckten wir uns aus nach dem, was vor uns lag“1. In deiner Gegenwart, der du die Wahrheit bist, fragten wir uns, wie wohl das ewige Leben der Heiligen sein würde, das „kein Auge gesehen, kein Ohr gehört hat und das in keines Menschen Herz gekommen ist“2. Aber wir lechzten mit dem Munde unseres Geistes nach den himmlischen Wassern deines Quells, des „Lebensquells, der bei dir ist“3, um, von ihm nach unserm Fassungsvermögen geletzt, einen solch erhabenen Stoff allseitig betrachten zu können.
Als nun unsere Unterredung zu dem Resultate gelangt war, daß auch die höchste Lust, die uns durch die Sinne vermittelt wird und bei allem Glanze immer doch nur körperlich bleibt, neben der Lieblichkeit jenes Lebens keine Erwähnung, geschweige denn einen Vergleich verdient, da erhoben wir uns mit noch heißerer Sehnsucht zu „dem, was das Selbst“4 ist, und durchgingen die ganze Stufenleiter der ganzen Körperwelt und des S. 206 Himmels, von dem Sonne, Mond und Sterne über die Erde herableuchten. Und immer weiter stiegen wir auf, in innerlicher Weise deine Werke bedenkend, bewundernd und besprechend, und so kamen wir schließlich zu unserm Geiste. Auch über ihn schritten wir hinaus, um in die Gegend unerschöpflicher Fruchtbarkeit zu gelangen, wo du ewig Israel weidest auf der Weide der Wahrheit, wo Leben gleich Wahrheit ist; durch sie besteht alles, das Vergangene und das Zukünftige, sie selbst aber wird nicht, sondern bleibt, wie sie war, und wird immer so bleiben. Oder richtiger: in ihr gibt es keine Vergangenheit und keine Zukunft, sondern nur Sein, weil sie ewig ist; denn Vergehen und Werden sind nicht ewig. Und während wir von ihr redeten und nach ihr verlangten, berührten wir sie leise in einem Augenblicke höchster Herzenserhebung; dann seufzten wir auf und ließen dort „die Erstlinge unseres Geistes“5 gefesselt zurück und kehrten wieder zur Erde zurück, zu Worten, die Anfang und Ende haben. Was aber gleicht deinem Worte, das uns gebietet und ohne zu altern in sich bleibt und alles erneut?
Wir sprachen also: Es schweige in einem Menschen der Sturm des Fleisches, es schweige jede Vorstellung von Land, Wasser und Luft, es schweige das Himmelsgewölbe, ja selbst die Seele in sich und, ihrer selbst vergessend, erhebe sie sich über sich, es schweige die Zunge und jegliches Zeichen, und alles, was entsteht und vorübergeht, schweige völlig; denn einem scharfhörigen Zuschauer würden all diese Dinge sagen: „Nicht wir haben uns selbst geschaffen, sondern der hat uns geschaffen, der da bleibt in Ewigkeit“6. Wenn sie also nach diesen Dingen verstummten, da sie ihr Ohr auf ihren Schöpfer gerichtet haben, und wenn nunmehr er allein spräche nicht durch sie, sondern durch sich selbst, so daß wir sein Wort nicht aus eines Menschen Zunge noch durch eines Engels Stimme noch im Donner der Wolke noch durch Rätsel und Gleichnis vernahmen, sondern ihn selbst, den wir in diesen Dingen lieben, ihn S. 207 selbst vernähmen, gleichwie wir uns jetzt erhoben und in reißendem Gedankenfluge die ewige, unvergängliche Weisheit berührten; wenn endlich dieser Zustand anhielte und alle anderen Vorstellungen weit niederer Art verschwänden und nur diese eine den Schauenden hinrisse und in sich aufnähme und in innerlicher Wonne bärge, kurz daß dies ein Gleichnis des ewigen Lebens wäre wie jener Augenblick höchster Erkenntnis, nach dem wir geseufzt - wäre dies nicht der Zeitpunkt, von dem geschrieben steht: „Geh ein in die Freude deines Herrn“?7 Und wann wird dies sein? Etwa dann, wenn „wir alle auferstehen, aber nicht alle werden verwandelt werden?“8
So sprach ich, und wenn auch nicht genau auf diese Weise und mit diesen Worten, so weißt du doch, o Herr, daß an jenem Tage, als unter solchen Gesprächen die Welt da vor uns mit all ihren Freuden jeden Reiz verlor, die Mutter sagte: „Mein Sohn, ich für meine Person werde an nichts mehr Freude empfinden. Was ich nun hier noch tun soll und warum ich hier bin, weiß ich nicht, da ich von dieser Zeitlichkeit nichts mehr erhoffe. Nur um dich vor meinem Tode als katholischen Christen zu sehen, wollte ich einzig und allein noch eine Zeitlang am Leben bleiben. Über mein Hoffen hinaus bat Gott mir meine Bitte erfüllt, da ich dich jetzt als seinen Knecht erblicke, der aller irdischen Glückseligkeit entsagt hat. Was tue ich nun noch hier?“