7. Einführung des Kirchengesangs in Mailand. Auffindung der Leiber der heiligen Märtyrer Gervasius und Protasius.
Erst seit kurzem hatte die Kirche von Mailand angefangen, sich einer besonderen Art trostreicher Erbauung zu erfreuen unter großer Beteiligung der Brüder, die mit großem Eifer Stimmen und Herzen zu harmonischem Klange einten. Es war nämlich ein Jahr oder nicht viel länger, als Justina, die Regentin für ihren unmündigen Sohn, den Kaiser Valentinianus, um ihrer Häresie willen, zu der sie von den Arianern verführt worden war, deinen Knecht Ambrosius verfolgte. Das fromme Volk wachte in der Kirche, bereit, mit seinem Bischofe, deinem Diener, zu sterben. Meine Mutter, deine Magd tat sich dort bei diesen angstvollen Nachtwachen vor den anderen hervor; sie lebte im Gebete. Und auch wir selbst, obgleich noch nicht erwärmt von der Glut deines Geistes, wurden lebhaft von der Bestürzung und Verwirrung der Bürgerschaft ergriffen. Damals nun wurde der Gesang von Hymnen und Psalmen nach orientalischem Ritus eingeführt, damit nicht das Volk in überlanger Trauer sich verzehre. Seitdem hat man diese Einrichtung bis auf den heutigen Tag beibehalten, und schon ahmen sie viele, ja fast alle deine Gemeinden auf dem übrigen Erdkreis nach.
Damals hast du deinem bereits erwähnten Bischofe durch ein Gesicht geoffenbart, wo die Leiber deiner heiligen Märtyrer Gervasius und Protasius lagen; durch lange Jahre hattest du sie unversehrt in deinem geheimnisvollen Schatzhause aufbewahrt, um sie zur rechten Zeit hervorzuheben und dadurch die Wut eines Weibes, mochte es auch eine Kaiserin sein, zu bändigen. Als nämlich ihre Gebeine aufgefunden, ausgegraben und S. 199 unter den geziemenden Ehrenbezeigungen in die Ambrosische Basilika überführt wurden, da wurden nicht nur die, die von unreinen Geistern gequält wurden, nach dem eigenen Geständnis dieser Geister geheilt, sondern auch ein in der Stadt sehr bekannter Bürger, der schon Jahre lang blind war. Als dieser die stürmische Freude des Volkes hörte und auf seine Frage deren Grund vernahm, da sprang er auf und bat seinen Führer, ihn hinzuführen. In die Kirche geführt, erhielt er auf seine Bitte die Erlaubnis, mit seinem Schweißtuche die Bahre deiner Heiligen, „deren Tod kostbar vor deinen Augen“1, berühren zu dürfen, Als er dies getan und das Tuch an die Augen gebracht hatte, wurden sie ihm auf der Stelle geöffnet. Das Gerücht von diesem Wunder verbreitete sich sofort überallhin; überall pries man mit lauter Begeisterung dein Lob, und der Sinn jener Feindin gesundete zwar nicht zum Glauben, ließ sich aber von der Verfolgungswut abschrecken. Dank dir, mein Gott! Woher und wohin hast du meine Erinnerung geleitet, daß ich auch diese Dinge vor dir bekenne, die ich beinahe trotz ihrer Wichtigkeit vergessen - und übergangen hätte? Und dennoch eilte ich damals, obwohl der „Geruch deiner Salben“2 so duftete, nicht „dir nach“3; umso mehr weinte ich beim Gesange deiner Hymnen. Einst hatte ich zu dir geseufzt, jetzt endlich konnte ich frei atmen in reiner Himmelsluft, soweit diese eindringen kann in das Haus, das nach Heu duftet,