3. Warum will er denn bekennen, was er gegenwärtig ist?
Was also habe ich mit den Menschen zu schaffen, daß sie meine Bekenntnisse hören sollen, gleich als ob sie alle meine Gebrechen heilen? Sie, ein Geschlecht neugierig, das Leben anderer kennen zu lernen, lässig, das eigene zu bessern! Warum wollen sie von mir hören, was ich bin, wenn sie von dir nicht hören wollen, was sie selbst sind? Und woher wissen sie, wenn sie von mir selbst etwas über mich selbst hören, ob ich überhaupt S. 217 die Wahrheit rede? Kein Mensch „weiß ja, was in Menschen vorgeht, als nur der Geist des Menschen, der in ihm selbst ist“1. Vernehmen sie aber dich über sich selbst, so können sie nicht sagen: Der Herr lügt. Denn von dir etwas über sich zu hören bedeutet ja, sich erkennen. Wer kann aber sich erkennen und sagen: Es ist falsch, wenn er nicht selbst lügt? Aber weil „die Liebe alles glaubt“2, zumal bei denen, die sie miteinander eng verbunden und geeint hat, so will ich dir, o Herr, so bekennen, daß die Menschen sie hören; zwar kann ich ihnen nicht beweisen, ob mein Bekenntnis die Wahrheit ist, aber glauben werden mir die, deren Ohren die Liebe mir geöffnet hat.
Du aber, du Arzt meiner Seele, mache mir klar, zu welchem Zwecke ich dies tun soll. Denn wer die Bekenntnisse meiner vergangenen Sünden, die du nachgelassen und zugedeckt hast, um mich in dir zu beseligen und meine Seele durch den Glauben und dein Sakrament umzuwandeln, - wer also diese Bekenntnisse liest und hört, dessen Herz wird nicht so leicht in den Schlaf der Verzweiflung sinken und etwa sagen: „Ich kann nicht“, sondern aufwachen in der Liebe deiner Barmherzigkeit und in der Süßigkeit deiner Gnade, in welcher auch der Schwache stark ist, wenn er sich durch sie seiner Schwachheit bewußt wird. Auch die Guten freut es, von den früheren Sünden derer zu hören, die nun frei von ihnen sind; es freut sie nicht etwa, weil es Sünden sind, sondern weil es Sünden waren und nun nicht mehr sind. Zu welchem Zwecke also, mein Gott, dem täglich mein Gewissen bekennt, nicht so sicher im Bewußtsein seiner Unschuld als vielmehr in der Hoffnung auf deine Barmherzigkeit, zu welchem Zwecke, frage ich, bekenne ich auch vor den Menschen in dieser Schrift nicht nur, was ich gewesen, sondern auch, was ich jetzt bin? Denn jenen Nutzen habe ich erkannt und erwähnt. Aber was ich jetzt bin, eben zur Zeit der Abfassung meiner Bekenntnisse, das wünschen gar viele zu erfahren, solche, die mich kennen, und solche, die mich nicht kennen, S. 218 aber von mir oder über mich etwas gehört haben; aber ihr Ohr vermag nicht in mein Inneres zu dringen, wo ich der bin, der ich wirklich bin. Sie wollen also aus meinem Bekenntnisse hören, was ich im Innern bin, wo hin weder Auge noch Ohr noch Geist eindringen kann. Sie wollen hören, um mir zu glauben; werden sie aber auch mich erkennen? Aber die Liebe, durch die sie gut sind, sagt ihnen, daß aus meinen Bekenntnissen die Wahrheit redet, und sie ist es in ihnen, die mir Glauben schenkt.
