12. Das Gedächtnis in bezug auf Zahl und Raum.
Ferner enthält das Gedächtnis die Begriffe von Zahl und Raum und deren unzählige Gesetze; keines von ihnen beruht auf Eindrücken der Sinne des Leibes, da sie weder Farbe noch Ton noch Geruch noch Geschmack haben noch auf das Gefühl einwirken. Ich habe zwar den Schall der Wörter vernommen, durch die man sie bezeichnet, wenn von ihnen die Rede ist; aber ein anderes sind diese Töne und ein anderes die Begriffe und Gesetze. Denn die Wörter klingen anders im Griechischen, anders im Lateinischen, die Begriffe und Gesetze aber sind weder griechisch noch lateinisch noch gehören sie einer anderen Sprache an. Ich sah Linien, von Künstlern gezeichnet, fein wie die Fäden der Spinne, aber die mathematischen Linien sind völlig andere, sie sind nicht die Abbilder von Linien, die mir mein leibliches Auge anzeigt; es kennt sie jeder, der sie ohne den Gedanken an irgend etwas Körperliches durch innere Anschauung erkennt. Freilich fand ich auch Zahlenverhältnisse bei allen Sinneswahrnehmungen, die sich ja auch zählen lassen; aber jene reinen Zahlen, durch die wir zählen, sind etwas ganz anderes; es sind nicht Bilder S. 230 der Sinneswahrnehmungen und bestehen deshalb für sich allein. Mag lachen über meine Worte, wer diese reinen Zahlen nicht kennt; ich bedaure ihn, daß er darüber mich verlacht.
