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Works Augustine of Hippo (354-430) Confessiones Bekenntnisse
Zehntes Buch

16. Sogar das Vergessen ist im Gedächtnisse.

Wenn ich nun vom Vergessen spreche und auch weiß, wovon ich spreche, wie anders kann ich es erkennen, als daß ich mich des Vergessens erinnere? Ich meine nicht den Laut des Wortes, sondern die durch ihn bezeichnete Sache; hätte ich diese vergessen, so würde ich unmöglich die Bedeutung dieses Lautes verstehen. Wenn ich mich an das Gedächtnis erinnere, so ist das Gedächtnis sich selbst durch sich selbst gegenwärtig; erinnere ich mich aber an das Vergessen, so ist Gedächtnis und Vergessen gegenwärtig, das Gedächtnis, kraft dessen ich mich erinnere, das Vergessen, an das ich mich erinnere. Aber was heißt vergessen anders als des Gedächtnisses ermangeln? Wie kann es also da sein, daß ich mich seiner erinnere, da es doch, wenn es gegenwärtig ist, mir das Erinnern unmöglich macht? Da wir aber nur das, woran wir uns erinnern, im Gedächtnisse festhalten, so würden wir auf keinen Fall, wenn wir das Wort Vergessen hörten, uns aber daran nicht erinnern könnten, die durch dieses bezeichnete Sache verstehen. Also wird das Vergessen im Gedächtnisse festgehalten. Es ist also da, damit wir nicht vergessen; ist es aber da, so vergessen wir. Oder ergibt sich daraus, daß das Vergessen nicht an sich selbst im Gedächtnisse ist, wenn wir uns daran erinnern, sondern nur durch die Vorstellung von ihm? Fast scheint es so; denn wäre das Vergessen selbst gegenwärtig, so müßte die Folge sein, nicht daß wir uns erinnerten, sondern daß wir vergäßen. Wer wird dieses zuletzt ergründen? Wer begreifen, wie es sich damit verhält?

Ich mühe mich gewißlich hier ab, o Herr, und mühe mich an mir selbst ab; ich bin mir geworden zu einem S. 234 Lande der Mühseligkeit und gar zu vieler Schweißtropfen. Denn jetzt durchforsche ich nicht die Räume des Himmels noch messe ich die Entfernung der Gestirne noch frage ich nach dem, was die Erde im Gleichgewicht erhält. Ich bin es, der sich seiner erinnert, ich bin der Geist. Es ist kaum zu verwundern, wenn das mir fern liegt, was ich nicht bin; was ist mir aber näher als ich mir selbst? Und siehe, ich kann die Kraft meines Gedächtnisses nicht begreifen, obwohl ich doch zugeben muß, innerhalb seines Bereiches zu liegen. Was soll ich also sagen, wenn ich sicher weiß, daß ich mich des Vergessens erinnere? Soll ich etwa sagen, in meinem Gedächtnisse sei nicht, wessen ich mich erinnere? Oder soll ich sagen, das Vergessen sei in meinem Gedächtnisse, damit ich nicht vergesse? Beides ist höchst abgeschmackt. Gibt es nun eine dritte Möglichkeit? Wie kann ich sagen, mein Gedächtnis fasse ein Bild des Vergessens, nicht das Vergessen selbst, da ich mich seiner erinnere? Wie könnte ich das sagen, da ja bevor sich das Bild irgendeiner Sache dem Gedächtnisse einprägen kann, die Sache selbst da sein und jenes Bild hervorrufen muß? Denn so erinnere ich mich an Karthago, so an alle Orte, wo ich gewesen, so an die Gesichter der Menschen, die ich gesehen, so an all das, was ich durch die übrigen Sinne wahrgenommen, so auch an die Gesundheit des Körpers selbst oder an seinen Schmerz; als diese Dinge gegenwärtig waren, fing mein Gedächtnis Bilder von ihnen auf, damit ich sie als gegenwärtig schauen und im Geiste betrachten könnte, wenn ich mich jener Dinge auch in ihrer Abwesenheit erinnern wollte, Wenn also nur das Bild des Vergessens, nicht dieses selbst im Gedächtnisse haftet, so muß es jedenfalls dagewesen sein, so daß ein Bild von ihm aufgenommen werden konnte. Wenn es aber da war, wie zeichnete dann das Vergessen sein Bild im Gedächtnisse ab, wenn es durch seine bloße Gegenwart schon verwischt, was es eingezeichnet vorgefunden? Und doch weiß ich bestimmt, daß ich auf irgendeine Weise, mag sie auch unbegreiflich und unerklärlich sein, mich sogar des Vergessens erinnere, wodurch doch das, woran wir uns erinnern möchten, ausgelöscht wird.

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