18. Unter Umständen ist selbst ein Irrtum in der Erklärung der Heiligen Schrift nicht gerade schädlich.
Wenn ich dies alles vernehme und erwäge, so will ich nicht „um Worte streiten; denn es führt zu nichts außer zum Verderben der Zuhörer“1. Zur Erbauung aber „ist das Gesetz gut, wenn es jemand rechtmäßig anwendet“, denn „sein Endzweck ist die Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben“2. Und unser Meister weiß wohl, in welche zwei Gebote er das Gesetz und die Propheten gesetzt. Wenn ich mich nun zu diesen mit glühender Liebe bekenne, mein Gott, du „Licht meiner Augen“3 im Verborgenen, S. 319 was kann es mir da schaden, wenn diese Worte, die dessen ungeachtet wahr bleiben, verschiedene Auffassungen zulassen? Was, frage ich, kann es mir schaden, wenn nach meiner Meinung der Verfasser da mit bestimmten Worten etwas anderes gemeint hat als nach der Meinung eines anderen? Wir alle, die wir lesen, geben uns Mühe, zu erforschen und zu erfassen, was jener gewollt, dessen Schriften wir lesen; und wenn wir ihn für wahrheitsliebend halten, werden wir nicht wagen zu glauben, er habe etwas gesagt, was nach unserem Dafürhalten falsch ist. Wenn also nur jeder bestrebt ist, das in den heiligen Schriften zu finden, was jene, die sie geschrieben, gedacht haben, kann das große Sünde sein, wenn er das erkennt, was du, o Licht aller derer, die aufrichtig nach der Wahrheit suchen, als Wahrheit bezeugst, auch wenn es nicht der Gedanke des Schriftstellers ist, den er liest und der, wenn auch etwas anderes, so doch die Wahrheit im Sinne gehabt hat? 4