III. 3.
S. 141 Auch in der Auslegung des Briefes des Apostels Paulus an die Galater haben wir eine Stelle gefunden, die uns viel zu schaffen macht. Denn welches Ansehen kann den heiligen Schriften noch bleiben, wenn wir eine Art von Dienstlügen in ihnen annehmen! Welchen Satz kann man dann aus diesen Schriften noch anführen, um durch sein Gewicht die Bosheit streitsüchtiger Irrlehrer zum Schweigen zu bringen? Denn sobald du ihn anführst, kann dein Gegner, wenn er anderer Meinung ist, behaupten, der heilige Verfasser habe an der angeführten Stelle aus irgendeinem ehrbaren Grunde gelogen.Denn wo sollte das nicht der Fall sein können, wenn man sogar bei jener Erzählung, bei deren Beginn der Apostel sagt: „Was ich euch schreibe, sehet — bei Gott!—ich lüge nicht!“1, glauben und behaupten konnte, er habe gelogen, wo er von Petrus und Barnabas sagte: „Da ich sah, daß sie nicht gerade nach der Wahrheit des Evangeliums wandeln?“2Wenn jene nämlich den geraden Weg gingen, so hat Paulus gelogen; wenn er aber an dieser Stelle gelogen hat, wo hat er dann die Wahrheit gesagt? Oder soll man etwa glauben, er habe die Wahrheit gesagt, wo seine Ansicht dem Leser gefällt, während es auf Rechnung einer Dienstlüge zu setzen ist, wenn man auf etwas stößt, was gegen die Ansicht des Lesers ist? An G ründen, zu meinen, er habe nicht bloß lügen können, sondern sogar lügen müssen, kann es ja nicht fehlen, wenn einmal diese Erklärung allgemeine Annahme findet. Es ist nicht notwendig, hierüber viele Worte zu machen, besonders dir gegenüber, da für deine scharfsinnige Klugheit das Gesagte genügt. Ich bin nicht so anmaßend, den Goldschatz deines Geistes durch meine Pfennige bereichern zu wollen; niemand ist mehr als du geeignet, eine Verbesserung jenes Werkes vorzunehmen.