VI. 8.
Muß man aber deshalb der ganzen Kirche einen Vorwurf daraus machen, daß die heilige Kommunion immer nüchtern empfangen wird? Nein, denn seit dieser Zeit hat es dem Heiligen Geiste gefallen, daß zur Ehre eines so erhabenen Sakramentes der Leib des Herrn früher in den Mund des Christen eingehe als andere Speisen; nur aus diesem Grunde ja hält sich der gesamte Erdkreis an diese Sitte. Denn wenn auch der Herr am Einsetzungstage nach der Abendmahlzeit die heilige Kommunion gereicht hat, so müssen deshalb nicht unsere Mitbrüder nach der Mittags- oder Abendmahlzeit zum Empfange dieses Sakramentes zusammenkommen oder es gleich an ihrem eigenen Tische vollziehen, wie die taten, die der Apostel rügt und zurechtweist. Um die Erhabenheit dieses Geheimnisses kräftiger einzuprägen, wollte der Erlöser es als den Schlußstein aufs tiefste in das Herz und das Gedächtnis der Jünger einsenken, die er bald darauf verlassen sollte. Darum gab er keine Vorschrift über die Art und Weise, wie sie es in Zukunft empfangen sollten, sondern überließ dies den Aposteln, denen die Leitung der Kirche zustehen sollte1. Hätte der Herr gewünscht, daß der Empfang immer nach einer Mahlzeit geschehe, so hätte nach meiner Meinung wohl niemand diese Sitte S. 216 geändert. Nun aber sagt der Apostel, indem er von diesem Sakramente redet: „Darum, o Brüder, wenn ihr zusammenkommet zum Essen, so wartet aufeinander; ist einer hungrig, so esse er zu Hause, damit ihr nicht zum Gerichte zusammenkommt“2 — und fügt sogleich bei: „Das übrige werde ich ordnen, wenn ich komme“3. Daraus läßt sich schließen4, daß von ihm eingeführt ist, was bei aller Verschiedenheit der Gebräuche doch im Wesen überall in gleicher Weise sich findet.