2.
Du fragst, aus welchem Grunde der Gedächtnistag des Leidens unseres Herrn nicht alle Jahre am gleichen Tage wiederkehre wie der Tag, der nach der Überlieferung sein Geburtstag ist, und verbindest damit die Frage, was in dieser Angelegenheit die Rücksicht auf Sabbat und Vollmond zu bedeuten habe, wenn sie tatsächlich für die Wahl des Termins maßgebend ist. Hier mußt du nun vor allem beachten, daß der Geburtstag des Herrn kein anderes Geheimnis enthält, sondern durch ihn nur die Tatsache der Geburt des Herrn ins Gedächtnis zurückgerufen wird; deshalb genügte es, den jährlich wiederkehrenden Tag, an dem die Geburt vor sich ging, durch eine Festfeier auszuzeichnen. Ein Geheimnis aber ist in einer Festfeier enthalten, wenn die Erinnerung an eine geschichtliche Tatsache verbunden ist mit dem offenbaren Hinweise auf etwas, was sich auf unsere Heiligung1 bezieht. Ostern feiern wir nämlich auf solche Weise, daß wir uns nicht bloß die geschichtlichen Tatsachen, das heißt den Tod und die Auferstehung Christi ins Gedächtnis rufen, sondern auch auf jene Dinge Rücksicht nehmen, die hierbei von geheimnisvoller Bedeutung sind. Denn da, wie der Apostel sagt, „Christus gestorben ist um unserer Sünden willen und S. 219 auferstanden wegen unserer Rechtfertigung“2, so ist durch das Leiden und die Auferstehung des Herrn auch der Übergang vom Tode zum Leben geheiligt worden. Auch das Wort Pascha, das Ostern bedeutet, kommt nicht, wie man allgemein anzunehmen pflegt, aus dem Griechischen, sondern aus dem Hebräischen, wie Kenner beider Sprachen behaupten. Denn nicht vom „Leiden“, das allerdings im Griechischen pascein heißt3, sondern, wie gesagt, vom Übergange vom Tode zum Leben hat das Fest seinen hebräischen Namen; in der hebräischen Sprache bedeutet nämlich Pascha Übergang, wie die Sprachkundigen behaupten. Auch der Herr selbst wollte dies andeuten, als er sagte: „Wer an mich glaubt, der wird vom Tode zum Leben übergehen“4. Vorzüglich aber sieht man, daß der Evangelist dies ausdrücken wollte; denn er sagt vom Herrn, als dieser im Begriffe war, mit seinen Jüngern jenes Ostern mit seinem geheimnisvollen Mahle zu bereiten: „Da Jesus sah, daß die Stunde gekommen war, da er von dieser Welt zum Vater gehen sollte“5. Der Übergang also von diesem sterblichen Leben zu einem anderen unsterblichen Leben, das heißt vom Tode zum Leben, wird uns durch das Leiden und die Auferstehung des Herrn nahegelegt.
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Sancte accipiendum. ↩
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Röm. 4, 25; 6, 6. ↩
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So erklärten z. B. Irenäus, Tertuliian, Lactantius und Ambrosius. — Doch heißt Pascha nicht eigentlich Übergang, wie der heilige Augustinus im folgenden voraussetzt, sondern Vorübergang, weil der „Würgengel an den Häusern der Israeliten vorüberging. ↩
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Joh. 5, 24. ↩
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Ebd. 13, 1. ↩