XII. 22.
Darum ist unter allen zehn Geboten nur jenes, das vom Sabbate handelt, in bildlicher Weise zu beobachten; uns liegt es ob, dieses Bild zu verstehen, nicht aber des leiblichen Müßigganges zu pflegen1. Denn der Sabbat bedeutet die geistige Ruhe, von der es im Psalme heißt: „Haltet Ruhe und sehet, daß ich Gott bin“2. Zu dieser Ruhe ruft der Herr selbst mit den Worten: „Kommet alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euch erquicken. Nehmet mein Joch auf euch und lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen. Dann werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen“3. Die übrigen Gebote aber halten wir so, wie sie geboten sind, im eigentlichen Sinne, ohne jede Annahme einer bildlichen Deutung. Daß man Götzenbilder nicht anbeten dürfe, ist uns ohne Umschweife gesagt worden. Den Namen Gottes nicht eitel nennen, Vater und Mutter ehren, nicht ehebrechen, nicht töten, nicht stehlen, kein falsches Zeugnis geben, nicht begehren des Nächsten Weib, nicht begehren irgendein Gut des Nächsten — all diese Vorschriften haben weder typische noch mystische, sondern wörtliche Bedeutung. Nur die Beobachtung des Sabbats wird uns nicht im buchstäblichen Sinne geboten, als Enthaltung von körperlicher Arbeit, wie es die Juden verstehen; ja, die Art und Weise, in der diese das Gebot nach seinem Wortlaute beobachten, würde lächerlich erscheinen, wenn sie nicht auf eine andere, nämlich die geistige Ruhe hindeutete. S. 237 Daher ist es keine falsche Ansicht, daß alles, was uns in der Heiligen Schrift in bildlichem Sinne gesagt wird, den Zweck hat, in uns jene Liebe zu erwecken, die uns zum Streben nach der Ruhe antreibt. So hat denn auch in den zehn Geboten jenes allein bildlichen Sinn, in dem uns jene Ruhe geboten wird, die man überall liebt, aber in Gott allein sicher und heilig findet.