27.
Denn für die Gläubigen und die, die die Wahrheit erkannt haben, ist, wie er selbst bezeugt — wenn er etwa nicht auch hier trügt —, „jedes Geschöpf Gottes gut und nichts verwerflich, was mit Danksagung genossen wird“1. So war also auch für Paulus, nicht bloß insofern er Mensch, sondern auch insofern er überaus getreuer Ausspender war, nicht nur insofern er die Wahrheit kannte, sondern auch insofern er sie lehrte, jede überhaupt von Gott geschaffene Speise nicht bloß zum Scheine, sondern in Wahrheit gut. Da er nun keineswegs den Heiden dadurch ein Heide geworden ist, daß er sich in verstellter Weise ihrem Götzendienste und ihren Gebräuchen unterzog, sondern nur dadurch, daß er über die Speisen und die Beschneidung das Richtige dachte und lehrte, warum konnte er den Juden nur dadurch ein Jude werden, daß er sich in verstellter Weise ihren Geheimnissen unterzog? Warum bewahrte er dem eingepfropften wilden Ölzweig gegenüber Treue und Wahrheit in seinem Verhalten, und warum hat er S. 315 über die natürlichen, dem Baume nicht fremden, sondern eigentümlichen Zweige den Schleier einer gewissen rücksichtsvollen Heuchelei geworfen? Warum ist bei den Heiden, denen er gleichsam Heide geworden, seine Lehre und seine Haltung in Übereinstimmung mit seinen wirklichen Gefühlen, während er bei den Juden, denen er Jude geworden ist, anderes im Herzen verschließt, als er in Worten, Werken und Schriften zu erkennen gibt? Doch weit weise ich solche Annahme von mir! Beiden ja schuldete er „Liebe aus reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben“2. Und so „ist er allen alles geworden, um alle zu gewinnen“3, nicht in lügnerischem Truge, sondern in mitleidvoller Teilnahme, das heißt nicht indem er alles Böse der Menschen zum Scheine tat, sondern indem er für die barmherzige Heilung aller Übel, als ob es seine eigenen seien, bei allen anderen Sorge trug.