1.
Wenn jemand, der mit guten Anlagen begabt und in den schönen Wissenschaften unterrichtet ist, in einer ganz einfachen Sache, obwohl das Heil der Seele nicht von ihr abhängig ist, anders denkt, als es der Wahrheit entspricht, so wundere ich mich darüber; und je mehr ich mich darüber verwundere, um so mehr glühe ich vor Verlangen, diese Person kennen zu lernen und mich mit ihr zu unterreden. Ist dies nicht möglich, so möchte ich wenigstens durch Briefe, die ja in die weiteste Entfernung fliegen, seine Seele berühren und in gleicher Weise von ihm berührt werden. Du bist nun, wie ich höre, ein solcher Mann, und darum schmerzt es mich, daß du von S. 323 der katholischen Kirche, die, wie es vom Heiligen Geiste vorausverkündet war, auf dem ganzen Erdkreise verbreitet ist, getrennt und ausgeschlossen bist. Warum, das weiß ich nicht. Denn gewiß ist einem großen Teile des römischen Reiches die Partei des Donatus unbekannt, ganz zu schweigen von den Barbarenvölkern, als deren Schuldner sich der Apostel bekennt1 und deren christlicher Glaube mit uns Gemeinschaft hält. Sie wissen gar nicht, wann und aus welchen Gründen diese Spaltung entstanden ist. Wenn du nicht zugibst, daß alle diese Christen an den Verbrechen, die ihr Afrikanern vorwerfet, schuldlos sind, so wirst du dich zu der Behauptung gezwungen sehen, daß ihr an den Übeltaten aller Mitschuld traget und so alle befleckt seid, da es unter euch, um mich milde auszudrücken, auch geheime Sünder gibt. Ihr schließet ja bisweilen einen aus eurer Gesellschaft aus, aber ihr tuet es erst dann, wenn er eine Tat begangen hat, die die Ausschließung erfordert. Oder verurteilt ihr nicht solche, die eine Zeit lang im geheimen sündigten, dann aber entdeckt und überführt wurden? Ich frage also: Hat so einer euch einen Makel angetan zur Zeit, da er noch nicht entdeckt war? Du wirst antworten: Keineswegs. Wenn also ein solches Verbrechen auch immer verborgen bliebe, so könnte es doch zu keiner Zeit eine Befleckung verursachen. Es werden ja bisweilen auch Vergehen Verstorbener offenkundig, ohne daß es den Christen zum Nachteile gereicht, die zu ihren Lebzeiten mit ihnen Kirchengemeinschaft gehalten haben. Warum also trennt ihr euch durch eine so unbegründete und frevelhafte Spaltung von der Gemeinschaft der unzähligen Kirchen im Morgenland, denen es immer unbekannt war und noch unbekannt ist, was nach eurer Lehre oder Fabelei in Afrika sich zugetragen hat?
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Röm. 1, 14. ↩