15.
Leicht wäre es, dies zu bedenken, und ihr würdet dann einmal zu euch selbst sprechen: „Wenn Cäcilianus unschuldig war oder wenigstens seiner Schuld nicht überführt werden konnte, was hat dann in dieser Sache die so weit verbreitete christliche Genossenschaft gesündigt? Warum durfte dem christlichen Erdkreise nicht unbekannt sein, was nicht einmal die Ankläger beweisen konnten? Warum wird dem Samen, den Christus auf seinen Acker, das ist auf diese Welt ausstreute und der nach seinem Willen bis zur Ernte wachsen sollte, warum wird so vielen Tausenden unter allen Völkern, deren Menge der Herr den Sternen des Himmels und dem Sande des Meeres verglich, die er im Samen S. 348 Abrahams zu segnen verhieß und auch wirklich segnete, warum wird allen diesen der christliche Name deshalb abgesprochen, weil sie bei der Erörterung dieser Sache nicht anwesend waren und lieber den verantwortlichen Richtern als der unterlegenen Partei Glauben schenken wollten? Gewiß erzeugt nie das Verbrechen eines Menschen bei dem einen Flecken, der von ihm nichts weiß. Wie konnten die auf dem ganzen Erdkreise verbreiteten Gläubigen das Verbrechen der Traditoren kennen, da selbst die Ankläger, wenn sie es auch kannten, so es ihnen doch nicht nachweisen konnten? Daß also die Gläubigen auf dem ganzen Erdkreise an diesem Verbrechen unschuldig sind, das ergibt sich am klarsten gerade aus ihrer Unwissenheit. Wie kann man also unschuldige Leute fälschlich eines Verbrechens anklagen, weil sie von den Verbrechen anderer Leute, mögen sie nun wirklich begangen oder erdichtet sein, nichts gewußt haben? Wo bleibt noch eine Stätte für die Unschuld, wenn es schon persönliches Verbrechen ist, von dem Verbrechen anderer nichts gewußt zu haben? Wenn aber, wie schon gesagt, so viele Völker und Nationen gerade durch ihre Unwissenheit als schuldlos erwiesen werden, wie groß ist dann das Verbrechen, sich von der Gemeinschaft dieser Schuldlosen loszusagen? Denn selbst die Handlungen der Bösen, die man den Guten nicht beweisen kann oder die von ihnen nicht geglaubt werden können, rufen bei niemandem eine Verunreinigung hervor, wenn man sie um der Gemeinschaft der Guten willen duldet, obwohl man sie kennt. Man soll ja nicht wegen der Bösen die Guten verlassen, sondern wegen der Guten die Bösen ertragen. So haben auch die Propheten diejenigen ertragen, gegen die sie so gewaltig ihre Stimme erhoben, und haben sich nicht von der gottesdienstlichen Gemeinschaft mit jenem Volke abgesondert. So hat auch der Herr selbst den gottlosen Judas bis zu dessen ebenso gottlosem Ende ertragen und ihm die Teilnahme am heiligen Mahle mit den Unschuldigen gestattet. So haben auch die Apostel diejenigen geduldet, die „aus Neid“1, der das Laster des S. 349 Teufels selbst ist, Christum verkündigten. So hat auch Cyprianus den Geiz seiner Amtsgenossen geduldet, den er mit dem Apostel2 Götzendienst nennt3. Was immer endlich unter jenen Bischöfen verhandelt worden sein mag, jetzt ist es niemandem bekannt, wenn auch früher einige davon wußten, ob Rücksicht auf Personen stattgefunden hat. Warum wird also nicht der Friede von allen geliebt?“ — So könntet ihr sehr leicht denken, und vielleicht denkt ihr auch so. Aber es wäre besser, ihr würdet die zeitlichen Güter lieben und aus Furcht vor ihrem Verluste die Wahrheit anerkennen, als daß ihr eine ganz nichtige Ehre vor den Menschen liebet und sie durch Zustimmung zur erkannten Wahrheit zu verlieren fürchtet.