11.
Dieses Gesetz der Liebe ist durch den Mund des Herrn verkündet worden; von ihm sind ja die Gleichnisse vom Unkraut, das sich bis zur Zeit der Ernte auf dem Acker der Welt vereinigt befindet, und von den schlechten Fischen, die bis zu der am Ufer zu vollziehenden Aussonderung in demselben Netze geduldet werden S. 435 müssen. Wenn eure Vorfahren dieses Gesetz der Liebe im Herzen bewahrt, wenn sie mit Gottesfurcht dies bedacht hätten, so würden sie nicht wegen Cäcilianus und irgendwelcher Afrikaner — sind sie nun, wie ihr glaubt, wirklich eines Verbrechens schuldig gewesen, oder hat man sie, was glaubwürdiger ist, nur verleumderisch angegriffen — sich durch eine frevelhafte Spaltung von der Kirche losgesagt haben, von der Cyprianus rühmt, daß sie zu allen Völkern ihre Strahlen sendet und ihre reich gefüllten Zweige über die ganze Erde ausbreitet; sie würden sich nicht von so vielen christlichen Völkern getrennt haben, denen in dieser Sache Kläger, Anklage und Angeklagte gänzlich unbekannt waren. So etwas geschieht nur entweder mehr aus persönlicher Eifersucht als aus Sorge für das Gemeinwohl oder infolge jenes Lasters, das Cyprianus warnend im weiteren Verlaufe nennt. Nachdem er nämlich erklärt hat, man dürfe wegen des Unkrautes, das man in der Kirche erblickt, nicht die Kirche verlassen, fügt er sogleich Folgendes bei: „Nur müssen wir uns bemühen, daß es uns gelingt, Getreide zu sein, damit wir, wenn das Getreide in die Scheune des Herrn gebracht wird, die Frucht unserer Mühe und Arbeit ernten. Der Apostel sagt in seinem Briefe: ,In einem großen Hause sind nicht nur goldene und silberne Gefäße, sondern auch hölzerne und irdene, die einen zu ehrenvollem, die anderen zu gewöhnlichem Gebrauch’1.Bemühen wir uns und streben wir aus allen Kräften, ein goldenes oder silbernes Gefäß zu sein! Indessen steht es dem Herrn allein zu, die irdenen Gefäße zu zerbrechen, da auch ihm das eiserne Zepter übergeben ist2. ,Der Diener kann nicht mehr sein als der Herr’3; was der Vater allein dem Sohne übergeben hat, darf niemand sich aneignen und etwa glauben, er könne jetzt schon Spaten und Wurfschaufel in die Hand nehmen, um die Tenne zu lüften und zu reinigen, oder könne nach menschlichem Urteil alles Unkraut vom Getreide S. 436 absondern. Das ist stolze Selbstüberhebung und frevelhafter Eigensinn, wozu der blinde Eifer verleitet. Und da solche Leute immer etwas mehr tun zu müssen glauben, als die mit Milde gepaarte Gerechtigkeit erfordert, so fallen sie von der Kirche ab und gehen zugrunde. Da sie sich im Stolze überheben, so werden sie gerade durch ihren Hochmut geblendet und verlieren das Licht der Wahrheit“4.