9.
Nur eine Ursache könnte uns ein anderes Handeln vorschreiben. Wenn sich nämlich deine Gemahlin aus Schwachheit der Seele oder des Leibes weigerte, zugleich mit dir sich hierzu zu verstehen, dann würden wir dich nicht bloß nicht ermahnen, sondern sogar abhalten/ dein Gelübde zu erfüllen. Denn Verheiratete sollen solche Gelübde nur machen in beiderseitiger Übereinkunft und mit gemeinschaftlichem Willen. Und ist das Gelübde in Übereilung gemacht worden, so ist nicht das Versprechen zu erfüllen, sondern der Leichtsinn zu sühnen. Auch Gott besteht nicht auf der Erfüllung, wenn jemand von fremdem Eigentume eine Gabe versprochen hat, vielmehr verbietet er, fremdes Gut sich anzueignen. Gott hat in dieser Hinsicht durch den Apostel sein Urteil gefällt: „Das Weib hat nicht Gewalt über seinen Körper,/ sondern der Mann, und so hat auch der Mann nicht Gewalt über seinen Körper, sondern das Weib“1. Da ich aber höre, sie sei ganz bereit, Gott in Enthaltsamkeit zu dienen, und werde nur dann daran gehindert, wenn sie nach dem Recht der Ehe dir die Pflicht zu leisten gezwungen wird, so leistet beide Gott, was ihr beide gelobt habt, und weihet Gott, was ihr voneinander nicht fordert. Wenn die Enthaltsamkeit eine Tugend ist, wie sie es wirklich ist, warum sollte das schwächere Geschlecht, bereitwilliger sich zu ihr verstehen, da doch die Tugend vom Tüchtigen ihren Namen hat, wie aus der Ähnlichkeit beider Worte hervorgeht?2 Bebe also nicht als S. 494 Mann vor einer Tugend zurück, die ein Weib willens ist zu üben. Eure gegenseitige Einwilligung sei ein Opfer auf dem himmlischen Altare des Schöpfers, und nach Überwindung der Begierlichkeit sei das Band eurer Liebe um so kräftiger, je heiliger es ist. Mögen wir über euch uns freuen durch die überfließende Gnade Christi, gnädige Herrschaft, verehrteste und geliebteste Kinder!