9.
Als sie schon miteinander im Gefängnisse waren, sprach einst sein Bruder zu ihm: „Wenn auch ich dies als Strafe für meine Sünden leide, durch welche Missetat bist dann du, dessen so eifriges und entschiedenes christliches Leben bekannt ist, hierher gekommen?“ Aber jener erwiderte: „Hältst du es denn für etwas Geringes, daß mir von Gott die Gnade verliehen wird — vorausgesetzt, daß deine Ansicht über mein Leben auf Wahrheit beruht —, durch mein Leiden und vielleicht durch die Vergießung meines Blutes hier auf Erden meine Sünden abzubüßen und nicht im künftigen Gerichte dafür bestraft zu werden?“ Da könnte nun vielleicht jemand meinen, er sei sich geheimer Sünden der Unkeuschheit bewußt gewesen. Ich will darum sagen, was mich Gott der Herr zu meinem großen Troste aus seinem Munde hören und vollkommen erkennen ließ. Da ich mit ihm allein, als er schon im Gefängnisse war, über diesen Punkt in der Besorgnis sprach, es möchte etwa für ihn Grund vorhanden sein, Gott durch eine größere und vorzüglichere Buße zu versöhnen, da errötete er gemäß der ihm eigenen besonderen Schamhaftigkeit über meinen allerdings falschen Argwohn, nahm aber den Hinweis sehr dankbar auf, lächelte mit bescheidenem Ernst, ergriff mit beiden Händen meine Rechte und sprach: „Ich erkläre bei den heiligen Geheimnissen, die durch diese Hand gespendet werden, daß ich außer mit meiner Gattin keinen fleischlichen Umgang gepflogen habe, weder vor noch nach der Eheschließung.“