8.
Da also die Geduld und Barmherzigkeit Gottes hinsichtlich der Sünder so groß ist, daß er sie nicht auf ewig verdammt, wenn sie in diesem zeitlichen Leben ihr Verhalten bessern, andererseits Gott aber keine Barmherzigkeit erwartet, die man ihm zuwende, da niemand seliger, niemand mächtiger, niemand gerechter ist als er, wie müssen dann wir Menschen uns gegen andere Menschen betragen, da wir unser Leben nicht als Sünden los .bezeichnen dürfen, so sehr wir es auch mit Lob überhäufen möchten? Wenn wir dies behaupten, „so täuschen wir uns selbst“, wie geschrieben steht, „und die Wahrheit ist nicht in uns“1. Obwohl nun der Ankläger, der Verteidiger, der Fürsprecher, der Richter jeder seinen eigentümlichen Wirkungskreis hat und es zu lang und überflüssig wäre, jedes dieser Ämter hier zu erörtern, so muß doch auch jenen, die die Verbrecher bestrafen — selbst wenn sie sich hierbei nicht von persönlicher Aufregung leiten lassen, sondern nur die Gesetze vollziehen und, wie es sich für Richter geziemt, nicht die ihnen selbst zugefügten Beleidigungen, sondern die anderen zugefügten Beleidigungen nach sorgfältiger Untersuchung sühnen —, ein göttlicher Ausspruch Furcht einflößen, damit sie bedenken, daß ihnen wegen ihrer eigenen Sünden die Barmherzigkeit Gottes notwendig sei, und nicht meinen, sie hätten sich an ihrem Amte versündigt, wenn sie gegen jene auch Barmherzigkeit walten lassen, über deren Leben und Tod sie nach den Gesetzen Gewalt besitzen. S. 570
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1Joh. 1. 8. ↩