10.
Wenn daher deine ganze Klugheit, mit der du den Angelegenheiten der Leute zu nutzen suchst, wenn dein ganzer Starkmut, der sich von keinem Gegner schrecken läßt, wenn deine ganze Mäßigkeit, die dich trotz dem so großen und so weit verbreiteten Verderben der menschlichen Gesellschaft von aller Bestechung frei erhält, wenn deine ganze Gerechtigkeit, vermöge deren du im Gerichte jedem das Seinige zuteil werden läßt, sich darin erschöpft und nur danach strebt, daß deine Schutzbefohlenen sich körperlich Wohlbefinden, daß sie nach allen Seiten vor jeglicher Unbill gesichert und im Frieden seien, daß sie Söhne besitzen gleich jungen festgewurzelten Pflanzen, Töchter, geschmückt gleich einem Tempel, volle, ineinander überströmende Scheunen, fruchtbare Schafe, fette Rinder, wenn du ferner dein Augenmerk nur darauf richtest, daß kein Bruch in der Mauer ihr Anwesen verunstalte, kein händelsüchtiges Geschrei auf ihren Straßen sich erhebe, dann sind deine Tugenden nicht wahrhaftig und ebensowenig die Glückseligkeit deiner Leute. Hier darf mich jene Bescheidenheit, die du in deinem Briefe in so gütigen Ausdrücken an mir gelobt hast, nicht abhalten, die Wahrheit zu sagen. Wenn also, sage ich, deine ganze Verwaltung, obwohl sie sich durch die erwähnten Tugenden auszeichnet, doch sich kein weiteres Ziel setzt, als daß die Menschen in leiblicher Beziehung kein Ungemach erdulden, und wenn du meinst, es gehe dich nichts an, wozu sie die S. 597 Ruhe, die du ihnen zu verschaffen suchst, benützen, d. h. um keine Umschweife zu gebrauchen, wie sie den wahren Gott anbeten, worin die ganze Frucht eines ruhevollen Daseins besteht, so nützt dir deine übergroße Mühe nichts in bezug auf das wahrhaft glückselige Leben.