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Warum also kommt kein kleines Kind in das Himmelreich ohne das Bad der Wiedergeburt? Hat es sich denn selbst die Ungläubigen oder nachlässigen S. 702 Eltern erwählt, von denen es geboren wurde? Was soll ich sagen von den unzähligen unvermuteten und plötzlichen Todesfällen, von denen häufig auch Kinder gottesfürchtiger Christen betroffen werden, die damit um die Taufe kommen, während hingegen Kinder von Frevlern und Feinden Christi auf irgendeine Weise in die Hände von Christen kommen und nicht ohne das Sakrament der Wiedergeburt aus diesem Leben scheiden? Was wollen hierauf diejenigen sagen, die es zur Vorbedingung des Gnadenempfanges machen, daß einige menschliche Verdienste vorausgehen, damit „bei Gott kein Ansehen der Person sei“?1 Welche Verdienste sind denn in diesen Fällen vorausgegangen? Denkt man hierbei an die Kinder selbst, so haben sie keine eigenen Verdienste, jedes aber ist aus demselben Stoffe; schaut man auf die Eltern, so haben diejenigen Verdienste, deren Kinder durch einen plötzlichen Tod ohne die Taufe Christi verloren gingen, jene aber Mißverdienste, deren Kinder durch Christen, die sich ihrer bemächtigten, zu den Sakramenten der Kirche gelangt sind. Und doch trägt die göttliche Vorsehung, die unsere Haare gezählt hat, ohne deren Willen kein Sperling zur Erde fällt, die keinem Fatum unterworfen ist2 und sich zu keiner Ungerechtigkeit verleiten läßt, in bezug auf die Wiedergeburt zur himmlischen Erbschaft keine Sorge für alle Neugeborenen ihrer Kinder, während sie Sorge trägt für einige Neugeborenen der Gottlosen? Dieses Kind verehelichter Gläubigen, die Freude der Eltern, wird von der Mutter oder der Amme im Schlafe erstickt, geht so des Glaubens seiner Angehörigen verlustig und wird von ihnen getrennt; jenes Kind hingegen, die Frucht gottesräuberischer Gewalttat, wird von der Mutter aus grausamer Furcht ausgesetzt, aber durch das barmherzige Mitleid fremder Leute aufgenommen, durch deren christlichen Eifer zur Taufe gebracht und so des ewigen Reiches teilhaftig. Daran sollen jene denken, dies erwägen, in Rücksicht darauf die Behauptung wagen, daß Gott S. 703 bei der Gnadenausleilung ein Ansehen der Person kenne oder daß er vorausgegangene Verdienste belohne.