44.
Freilich glauben sie etwas sehr Scharfsinniges zu sagen, wenn sie die Frage aufwerfen: „Wie kann die Sünde auf Kinder von Gläubigen übergehen, wenn sie den Eltern ohne Zweifel bereits durch die Taufe erlassen ist?“ Doch deshalb kann die Geburt im Fleische sehr wohl jenen Makel verleihen, den nur die Wiedergeburt im Geiste tilgen kann; und bei der Taufe braucht auch nicht sogleich die Makel der Begierlichkeit des Fleisches hinweggenommen zu werden, nur ihre Schuldbarkeit wird getilgt, aber durch die Gnade der Wiedergeburt, nicht infolge der Geburt von christlichen Eltern. Jeder, der mit dieser Begierlichkeit, wenn auch von wiedergeborenen Eltern, geboren wird, der hat hiervon ohne S. 711 Zweifel einen Schaden, wenn er nicht auch selbst in gleicher Weise wiedergeboren wird1. Indessen, welche Schwierigkeiten auch immer diese Frage bieten mag, sie hindert die Arbeiter auf dem Acker Christi ebensowenig, Kinder von Ungläubigen oder von Gläubigen zu taufen, wie es den Landmann hindert, durch sorgfältiges Pfropfen wilde Ölzweige zu veredeln, mögen sie nun von veredelten oder von wilden Ölbäumen genommen sein. Und wenn dem Landmanne die Frage zur Beantwortung vorgelegt würde, woher es komme, daß trotz dem Unterschiede zwischen wilden und edlen Ölbäumen aus dem Samen beider nur wilde Ölbäume entstehen, so wird er sie kaum zu beantworten vermögen, trotzdem aber das veredelnde Pfropfen nicht unterlassen. Denn wenn er das aus dem Samen der Olive erwachsene Gesträuch für echte Ölbäume ansieht, so bewirkt sein träger Wahn, daß der ganze Acker zu einer Wildnis voll bitterer Unfruchtbarkeit wird.
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Nach Augustins Lehre ist die angeborene Begierlichkeit, das heißt die Neigung zur Sünde an den Nichtgetauften sündhaft und strafbar, auch wenn sie nicht freiwillig ist Lehre der Kirche ist dies nicht. ↩