V. 16.
Da wir also durch die Gnade Christi katholische Christen sind, so wissen wir,
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daß die noch Ungeborenen in ihrem eigenen Leben nichts Gutes oder Böses getan haben und nicht nach S. 780 Verdienst oder Verschuldung eines früheren Lebens, das der einzelne für sich nicht gehabt haben kann1, in das Elend dieses Lebens kommen; daß sie aber doch wegen ihrer fleischlichen Abstammung von Adam durch ihre erste Geburt das Ansteckungsgift des alten Todes sich zuziehen und von der Strafe des ewigen Todes, die nach gerechtem Urteil von einem auf alle übergeht, nicht befreit werden, außer sie werden durch die Gnade Christi wiedergeboren.
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Wir wissen, daß die Gnade Gottes weder den Kleinen noch den Erwachsenen nach ihren Verdiensten gegeben wird.
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Wir wissen, daß sie den Erwachsenen zu den einzelnen Akten verliehen wird.
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Wir wissen, daß sie nicht allen Menschen verliehen wird und daß sie jenen, denen sie verliehen wird, nicht nach dem Verdienste ihrer Werke, ja nicht einmal nach dem Verdienste ihres Willens verliehen wird, was vorzüglich bei den kleinen Kindern zutage tritt.
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Wir wissen, daß sie jenen, denen sie verliehen wird, durch unverdiente Barmherzigkeit Gottes verliehen wird.
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Wir wissen, daß sie jenen, denen sie nicht verliehen wird, durch gerechtes Gericht Gottes nicht verliehen wird.
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Wir wissen, daß „wir alle vor dem Richterstuhl Christi stehen werden, damit ein jeder nach dem, was er im leiblichen Leben vollbracht hat“, nicht nach dem, was er im Falle längeren Lebens getan hätte, „Gutes oder Schlimmes empfängt“2.
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Wir wissen, daß auch die Kinder nach dem, was sie im leiblichen Leben getan haben, Gutes oder Schlimmes empfangen werden. Sie haben es aber nicht in eigener Person getan, sondern durch diejenigen, die für sie Rede stehen und um derentwillen man von ihnen sagt, daß sie dem Teufel entsagen und an Gott glauben. Deshalb zählt man sie ja auch zu den Gläubigen, auf die S. 781 sich das Wort des Herrn bezieht: „Wer glaubt und getauft ist, der wird selig werden“3. Bei denen aber, die dieses Sakrament nicht empfangen, trifft deshalb zu, was es weiter heißt: „Wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden“4. Wenn sie also, wie gesagt, in diesem frühen Alter sterben, so werden sie allerdings nach dem gerichtet, was sie im Leibesleben getan haben, das heißt zur Zeit, als sie im Leibe wandelten, als sie mit Herz und Mund den Paten glaubten oder nicht glaubten, getauft oder nicht getauft wurden, als sie Christi Fleisch aßen oder nicht aßen, sein Blut tranken oder nicht tranken, nach dem also, was sie im Leibesleben getan haben, nicht nach dem, was sie im Falle längeren Lebens getan hätten.
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Wir wissen, daß die Toten selig sind, die im Herrn sterben, und daß das, was sie im Falle eines längeren Lebens getan hätten, sie nicht berührt.
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Wir wissen, daß diejenigen, die mit ihrem eigenen Herzen5 an den Herrn glauben, dies aus eigener Wahl und mit freiem Willen tun.
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Wir wissen, daß wir glaubensrichtig handeln, wenn wir, die wir schon glauben, für jene, die nicht glauben wollen, zu Gott beten, damit sie wollen.
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Wir wissen, daß wir für jene, die aus den Ungläubigen zum Glauben gekommen sind, mit Recht und Wahrheit als für eine Wohltat Gott danken müssen und so auch zu tun pflegen.
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Damit weist der hl. Augustinus den Irrtum derer ab, die eine Präexistenz annehmen. ↩
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Röm. 14, 10 und 2Kor. 5, 10. ↩
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Mark. 16, 16. ↩
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Mark. 16, 16. ↩
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Im Gegensätze zu den kleinen Kindern, die nach Augustinus dies mit dem Herzen der Paten tun. Doch ist festzuhalten, daß die Taufe auch ohne Paten, auf die Augustinus überhaupt ein auffallend großes Gewicht legt, gilt. ↩