Edition
ausblenden
De doctrina Christiana
CAPUT XXVIII.-- Veritati potius quam verbis studendum. Verbis contendere quid sit.
61. Talis doctor ut obedienter audiatur, non impudenter non solum submisse ac temperate, verum etiam granditer dicit, quia non contemptibiliter vivit. Sic namque eligit bonam vitam, ut etiam bonam non negligat famam, sed provideat bona coram Deo et hominibus 1, quantum potest, illum timendo, his consulendo. In ipso etiam sermone malit rebus placere quam verbis; nec aestimet dici melius, nisi quod dicitur verius; nec doctor verbis serviat, sed verba doctori. Hoc est enim quod Apostolus ait: Non in sapientia verbi, ne evacuetur crux Christi 2. Ad hoc valet etiam quod ait ad Timotheum: Noli verbis contendere; ad nihil enim utile est, nisi ad subversionem audientium 3. Neque enim hoc ideo dictum est, ut adversariis oppugnantibus veritatem, nihil nos pro veritate dicamus. Et ubi erit quod cum ostenderet qualis esse episcopus debeat, ait inter caetera: Ut potens sit in doctrina sana et contradicentes redarguere 4? Verbis enim contendere, est non curare quomodo error veritate vincatur, sed quomodo tua dictio dictioni praeferatur alterius. Porro qui non verbis contendit, sive submisse, sive temperate, sive granditer dicat, id agit verbis ut veritas pateat, veritas placeat, veritas moveat; quoniam nec ipsa, quae praecepti finis et plenitudo Legis est charitas 5, ullo modo recta esse potest, si ea quae diliguntur, non vera, sed falsa sunt. Sicut autem cujus pulchrum corpus et deformis est animus, magis dolendus est, quam si deforme haberet et corpus; ita qui eloquenter ea quae falsa sunt dicunt, magis miserandi sunt, quam si talia deformiter dicerent. Quid est ergo non solum eloquenter, verum etiam sapienter dicere, nisi verba in submisso genere sufficientia, in temperato splendentia, in grandi vehementia, veris tamen rebus, quas audiri oporteat, adhibere? Sed qui utrumque non potest, dicat sapienter quod non dicit eloquenter, potius quam dicat eloquenter quod dicit insipienter.
Übersetzung
ausblenden
Vier Bücher über die christliche Lehre (BKV)
28. Kapitel: Man muß viel mehr nach Wahrheit ah nach schönen Worten streben
61. Ein solcher Lehrer spricht, um nicht mit unverschämter Anmaßung, sondern mit gehorsamem Herzen gehört zu werden, nicht bloß niedrig oder gemäßigt, sondern auch erhaben, weil er nicht verächtlich lebt. Denn daß er ein gutes Leben sich erwählt, heißt, daß er auch den guten Ruf nicht gering schätzt und sich des Guten vor Gott und den Menschen befleißt1, indem er S. 222jenen nach Kräften fürchtet und für diese sorgt. Auch in der Rede selbst soll er lieber durch den Inhalt als durch die Form gefallen, den richtigsten Ausdruck der Wahrheit für die beste Sprache halten und als Lehrer nicht den Worten dienen; vielmehr lasse er die Worte dem Lehrer dienen. Das meint nämlich der Apostel mit den Worten: „… nicht in der Weisheit des Wortes, damit nicht das Kreuz Christi seinen Inhalt verliere2.“ Darauf bezieht sich auch, was er an Timotheus schreibt: „Streite nicht mit Worten! Denn das bringt keinen Nutzen, sondern nur den Untergang der Zuhörer3.“ Denn das ist nicht zu dem Zweck gesagt worden, daß wir zu Gunsten der Wahrheit nichts sagen sollen, wenn die Gegner sie bekämpfen. Wozu sollten denn sonst seine Worte dienen, wenn er beim Hinweis auf die notwendigen Eigenschaften eines Bischofs unter anderem sagt: „… damit er imstande ist, in der gesunden Lehre auch widersprechende Gegner zu widerlegen4.“ Mit Worten streiten heißt nicht dafür Sorge tragen, daß der Irrtum von der Wahrheit besiegt werde, sondern darnach trachten, daß deine Ausdrucksweise der eines anderen vorgezogen werde. Wer darum nicht mit Worten streitet, der sucht, ob er nun im niederen, gemäßigten oder erhabenen Stil spricht, mit seinen Worten nur das Ziel zu erreichen, daß die Wahrheit klar gelegt werde, daß die Wahrheit gefalle, daß die Wahrheit Einfluß gewinne. Denn nicht einmal die Liebe, die doch das Ziel des Gebotes und die Fülle des Gesetzes ist, kann irgendwie recht sein, wenn der Gegenstand der Liebe nicht wahr, sondern falsch ist. Geradeso, wie einer, der zwar einen schönen Leib, aber eine häßliche Seele besitzt, deshalb mehr zu bedauern ist, als wenn er auch einen häßlichen Leib hätte, so sind auch jene, die etwas Falsches in beredter Form behandeln, deshalb mehr zu bedauern, als wenn sie es in unschönem Stil vorbrächten. Was heißt also nicht bloß beredt, sondern auch weise sprechen anders, als im niederen Stil S. 223zufriedenstellende, im gemäßigten glänzende und im erhabenen Stil gewaltige Worte für wahre Dinge gebrauchen, die man einzig und allein anhören sollte? Wer nicht beides zugleich kann, der sage lieber weise, was er nicht beredt sagen kann, als beredt, was er töricht sagt. Wer aber nicht einmal das kann, der lebe so, daß er nicht bloß sich selbst einen Lohn dafür erwerbe, sondern auch anderen ein gutes Beispiel gebe und daß die Norm seines Lebens seine Rednergabe sei.