Übersetzung
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Vier Bücher über die christliche Lehre (BKV)
14. Kapitel: Verhaltungsmaßregeln beim Vorkommen unbekannter Wörter oder unbekannter Redewendungen
21. Von den zweideutigen Zeichen werden wir nachher sprechen; jetzt wollen wir uns mit den unbekannten Zeichen beschäftigen. Dabei ist bezüglich der Wörter ein zweifacher Irrtum möglich: der Leser kommt in Verlegenheit, entweder weil er das Wort an sich nicht kennt, oder weil ihm das Satzgefüge unbekannt ist (in dem das betreffende Wort steht). Stammen diese Wörter aus einer fremden Sprache, so hat man sich entweder bei Menschen zu befragen, die diese Sprache reden, oder man lernt, falls Muße und Talent zur Verfügung stehen, einfach gleich die betreffenden Sprachen selbst oder man muß die Angaben mehrerer Übersetzer zu Rate ziehen. Wenn wir aber manche Wörter oder Redewendungen der eigenen Sprache nicht kennen, so werden diese durch Übung im Lesen oder Anhören bekannt. Jedenfalls natürlich haben wir jene Wörter und Ausdrücke, die wir nicht kennen, an erster Stelle auswendig zu lernen. Begegnet uns dann ein kundiger Mann, von dem man erfahren kann, worauf eine solche S. 68Leseart nach dem, was vorausgeht oder nachfolgt oder kurz nach dem ganzen Zusammenhang hinweist, welche Bedeutung sie hat, was für eine bisher unbekannte Aufklärung sie uns gibt, so wird man sich mit Hilfe des Gedächtnisses (solche bisher unbekannte Wörter) leicht vollständig aneignen können. Allerdings ist die Macht der Gewohnheit auch bezüglich des Lernens so groß, daß sich Männer, die in den heiligen Schriften sozusagen genährt und großgezogen worden sind, über andere Redewendungen förmlich wundern und sie geradezu für weniger gut lateinisch halten als die Ausdrücke, die sie aus den heiligen Schriften kennen, obgleich sich diese Wendungen bei den lateinischen Klassikern gar nicht finden. Sehr gute Dienste leistet hierbei auch die große Anzahl der Übersetzer, wenn die zahlreichen Handschriften verglichen, genau eingesehen und scharf geprüft werden. Ein falscher Text darf freilich nicht vorliegen. Darum müssen sorgfältige Schriftforscher zunächst auf die Verbesserung der Handschriften bedacht sein; falls zwei Handschriften aus ein und derselben Textquelle stammen, so muß die verbesserte Handschrift den Vorrang vor der nicht verbesserten haben.
Edition
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De doctrina Christiana
CAPUT XIV.-- Ignoti verbi et ignotae locutionis unde eruenda cognitio.
21. De ambiguis autem signis post loquemur; nunc de incognitis agimus, quorum duae formae sunt, quantum ad verba pertinet. Namque aut ignotum verbum facit haerere lectorem, aut ignota locutio. Quae si ex alienis linguis veniunt, aut quaerenda sunt ab earum linguarum hominibus, aut eaedem linguae, si et otium est et ingenium, ediscendae, aut plurium interpretum consulenda collatio est. Si autem ipsius linguae nostrae aliqua verba locutionesque ignoramus, legendi consuetudine audiendique innotescunt. Nulla sane sunt magis mandanda memoriae, quam illa verborum locutionumque genera quae ignoramus; ut cum vel peritior occurrerit de quo quaeri possint, vel talis lectio quae vel ex praecedentibus vel consequentibus vel utrisque ostendat quam vim habeat, quidve significet quod ignoramus, facile adjuvante memoria possimus advertere et discere. Quanquam tanta est vis consuetudinis etiam ad discendum, ut qui in Scripturis sanctis quodammodo nutriti educatique sunt, magis alias locutiones mirentur, easque minus latinas putent, quam illas quas in Scripturis didicerunt, neque in latinae linguae auctoribus reperiuntur. Plurimum hic quoque [P. 0046] juvat interpretum numerositas collatis codicibus inspecta atque discussa; tantum absit falsitas: nam codicibus emendandis primitus debet invigilare solertia eorum qui Scripturas divinas nosse desiderant, ut emendatis non emendati cedant, ex uno duntaxat interpretationis genere venientes.