32. Kapitel: Die zweite Regel des Tychonius
45. Die zweite Regel handelt von dem zweigeteilten Leibe des Herrn. So sollte man ihn aber nicht heißen; denn was nicht in Ewigkeit mit ihm sein wird, das gehört überhaupt nicht zum Leibe des Herrn. Man hätte vielmehr sagen sollen: „Von dem wahren und dem gemischten Leib des Herrn“ oder „von dem wahren und dem verstellten Leib des Herrn“ u. dgl. Denn man muß sagen, daß z. B. die Heuchler nicht bloß nicht in Ewigkeit, sondern nicht einmal jetzt mit ihm seien, obgleich sie in seiner Kirche zu sein scheinen; darum hätte man diese Regel auch so benennen können, daß es geheißen hätte „von der gemischten Kirche“. Diese Regel fordert einen achtsamen Leser: Oft scheint nämlich die (Heilige) Schrift das Wort noch an die bisher Angesprochenen zu richten, wahrend sie in Wirklichkeit schon zu anderen spricht, oder sie scheint noch von den Bisherigen zu sprechen, während sie schon von andern spricht, gleich als ob infolge der Vermischung in dieser Zeit und der gemeinsamen Teilnahme an den Sakramenten der Leib beider nur einer wäre. Hierher gehören die Worte (der Braut) im Hohen Lied: „Gebräunt bin ich (von der Sonne) und doch schön wie die Gezelte Zedars und wie die Teppiche Salomons1).“ Sie sagt nicht: „Ich bin gebräunt gewesen wie die Gezelte Zedars und bin nun schön wie die Teppiche Salomons“, sondern sie sagt von sich beides aus wegen der zeitlichen Einheit innerhalb des einen Netzes der guten und der schlechten Fische2. Denn die Zelte Zedars S. 147beziehen sich auf Ismael, der nicht mit dem Sohne der Freien erben soll3. Daher sagt Gott vom guten Teil: „Ich werde Blinde auf einen Weg führen, den sie nicht kennen, und sie werden Pfade betreten, die sie nicht kennen; und ich werde ihnen die Finsternis zum Lichte machen und das Verkehrte gerade: diese Worte werde ich erfüllen und nicht werde ich sie (die Blinden) verlassen4.“ Darauf aber spricht er von dem übel vermischten Teil: „Sie aber wandten sich zurück“, obgleich mit diesen Worten schon andere Personen gemeint sind. Weil sie aber jetzt vereint sind, spricht er von ihnen wie von den Vorigen. Sie werden aber nicht immer vereint sein. Er selbst ist ja der im Evangelium erwähnte Knecht, dessen Herr bei seiner Ankunft ihn absondern und ihm seinen Teil mit den Heuchlern geben wird5.
Hohel. 1, 4. ↩
Vgl. Matth. 13, 47. ↩
Vgl. Gen. 21, 10 und Gal. 4, 30. ↩
Is. 42, 16 f. ↩
Vgl. Matth. 24, 51. — Dieser etwas plötzliche Wechsel ist ein Angriff auf den Donatisten Tychonius, der trotz seiner kirchlichen Anschauung als Häretiker dem Gesinde nicht Speise zur rechten Zeit gab (Storf, S. 164, Anm. 5). ↩
