37. Kapitel: Die siebte Regel des Tychonius
55. Die siebte und letzte Regel des Tychonius handelt vom Teufel und seinem Leib. Denn auch er ist das Haupt der Gottlosen, die gleichsam sein Leib sind und mit ihm in die Qual des ewigen Feuers gehen sollen1, geradeso wie Christus das Haupt seiner Kirche ist2, die sein Leib ist und mit ihm im Reich der ewigen Herrlichkeit sein wird3. Wie man daher nach der ersten Regel „vom Herrn und seinem Leibe“ dort, wo S. 158die Heilige Schrift von ein und derselben Person spricht, sorgfältig darauf zu achten hat, was dem Sinne nach dem Haupt und was dem Leib angemessen ist, so wird auch bei dieser letzten Regel gar manchmal etwas vom Teufel ausgesagt, was man nicht so fast auf ihn selbst, sondern viel eher auf seinen Leib anwenden kann. Diesen seinen Leib bilden aber nicht bloß jene, die ganz offenbar außerhalb der Kirche stehen4, sondern auch jene, die, obgleich sie zu ihm gehören, eine Zeitlang der Kirche beigemischt sind, bis jeder einzelne das Leben verläßt oder durch den letzten Schaufelwurf als Spreu vom Getreide getrennt wird5. Bei Isaias steht geschrieben: „Wie ist doch vom Himmel gefallen Luzifer, der im Osten aufgeht usw.6).“ Nach dem Wortzusammenhang ist dies unter dem Bilde des Königs von Babylon von derselben Person oder zu derselben Person gesprochen; darunter ist sicherlich der Teufel zu verstehen. Aber die Worte: „Auf der Erde wurde derjenige zertreten, der zu allen Völkern sendet7“, passen nicht ganz für das Haupt selbst. Obgleich nämlich der Teufel seine Engel zu allen Völkern sendet, so wird doch auf Erden nur sein Leib, nicht er selbst zertreten. Freilich ist er selbst in seinem Leib, der zertreten wird wie Staub, den der Wind von der Erde aufwirbelt8.
56. Mit Ausnahme einer einzigen, „von den Verheißungen und vom Gesetz“ überschriebenen Regel lassen alle das eine aus dem anderen erkennen. Dies ist aber die Eigentümlichkeit der tropischen Redeweise, die sich meines Erachtens viel weiter erstreckt, als daß von irgendeinem einzelnen alles umfaßt werden könnte. Wo also auch immer unter anderen Worten etwas anderes verstanden werden soll, da ist die Redeweise tropisch, wenn sich auch der Name des betreffenden Tropus in der Grammatik nicht findet. Steht ein Tropus im gewöhnlichen Sinn, so ergibt sich sein Verständnis ohne S. 159Mühe; steht er aber in einem ungebräuchlichen Sinn, dann haben sich zum Zweck des Verständnisses die einen mehr, die anderen weniger zu bemühen, je nach dem Maße der Gabe Gottes im Geiste der Menschen oder nach dem Maß der vorhandenen Hilfsmittel. Wie nun bei den im eigentlichen Sinn gebrauchten Worten, von denen wir früher sprachen, die Sache nach dem Wortlaut verstanden werden muß, so muß bei übertragenen Worten das eine aus dem andern verstanden werden. Hievon haben wir bisher, soweit es notwendig schien, mit genügender Ausführlichkeit gehandelt. Aber wir müssen diejenigen, welche die verehrungswürdigen Schriften studieren, nicht bloß ermahnen die in der Heiligen Schrift gebrauchten Redeweisen zu erkennen, sorgfältig auf ihre gewöhnliche Ausdrucksweise zu achten und diese Ausdrücke dem Gedächtnis einzuprägen, sondern wir müssen sie auch auffordern um das Verständnis derselben zu bitten: denn das ist die Hauptsache und eine unerläßliche Voraussetzung. Sie lesen ja in jenen Schriften, mit denen sie sich abgeben, daß „der Herr die Weisheit gibt und daß aus seinem Munde Wissenschaft und Erkenntnis kommt9“. Von ihm haben sie auch ihren Eifer empfangen, wenn anders sie sich durch Frömmigkeit auszeichnen.
Damit ist nun auch von den Zeichen, soweit sie die Worte betreffen, genug geredet. Es erübrigt nur noch, über die Darstellung unserer Gedanken im folgenden Buche das zu erörtern, was der Herr schenken wird.
