8. Kapitel: Wenn es in den heiligen Schriften aus gewissen Gründen dunkle Stellen gibt, so dürfen deshalb doch die christlichen Schriftsteller nicht auch dunkel schreiben
S. 18022. Wenn wir nun aber auch aus den leichtverständlichen Schriften (unserer kirchlichen Autoren) einige Redemuster ausgezogen haben, so sind wir damit doch nicht zu der Annahme berechtigt, wir dürften sie jetzt auch in dem nachahmen, was sie deshalb mit nützlicher und heilsamer Unklarheit gesagt haben, um den Geist der Leser zu üben und gleichsam zu feilen, um den Überdruß zu überwinden und den Eifer der Lernbegierigen anzuspornen und endlich um die Gottlosen in Unkenntnis zu halten und sie zur Bekehrung zu veranlassen oder von der Kenntnis von Geheimnissen auszuschließen. Denn deshalb haben jene heiligen Männer so gesprochen, damit diejenigen unter den später Lebenden, die sie recht verständen und erklärten, gerade diese Gnade (des Schriftverständnisses) als zweite von der ersten Gnade (der Berufung zum Christentum) zwar verschiedene, aber in ihrem Gefolge befindliche Gnade in der Kirche Gottes fänden. Darum dürfen die Erklärer jener kirchlichen Schriftsteller auch nicht so sprechen, als wollten sie selbst als Männer von ähnlicher Geltung erst wieder erklärt werden, sondern sie haben sich in ihren Reden in erster Linie und im höchsten Grade zu bemühen, daß sie verstanden werden. Daher müssen sie mit möglichster Klarheit reden, damit nur ein wirklich langsamer Kopf sie nicht verstehe oder damit der Grund, warum unsere Worte weniger oder langsamer verstanden werden können, tatsächlich nur in der Schwierigkeit und Feinheit der Dinge gelegen ist, die wir erörtern und zeigen wollen, nicht aber in unserer Ausdrucksweise.
