22. Kapitel: Aus der Konstellation der Gestirne lassen sich die Geschicke der Menschen unmöglich erkennen
33. Es ist doch ein großer Irrtum und ein großer Wahnsinn, aus solchen Gestirnsbeobachtungen die Sitten, Handlungen und Schicksale des neugeborenen Menschen vorhersagen zu wollen. Auch jenen Leuten gegenüber, die solche Künste gelehrt haben — übrigens eine Kunst, die man (ohne Schaden) wieder verlernen darf —, kann dieses Wissen ganz unzweifelhaft als Aberglaube widerlegt werden. Die sogenannten Konstellationen sind die Beobachtung der Gestirne zur Zeit der Geburt desjenigen, über welchen jene Unglücklichen von noch Unglücklicheren befragt werden. Es ist aber nun recht gut möglich, daß z. B. Zwillinge in so rascher Folge aus dem Mutterschoß hervortreten, daß man überhaupt keinen Zeitunterschied wahrnehmen und ihre Konstellation zifferngemäß feststellen kann. Demgemäß müßten einige Zwillingspaare ganz die gleichen Konstellationen haben, und doch ist der Ausgang der Dinge, die diese Zwillinge verrichten oder erleben, keineswegs gleich, sondern meist so ungleich, daß der eine ganz glücklich, der andere dagegen ganz unglücklich leben kann. So wissen wir z. B. daß Esau und Jakob allerdings als Zwillingsbrüder geboren wurden, und zwar so, daß der später geborene Jakob mit seiner Hand die Ferse des vor ihm geborenen Bruders hielt1. Bei diesen konnte man doch sicherlich über Tag und Ort ihrer Geburt nichts bemerken, als daß beide ein und dieselbe Konstellation besaßen. Und doch besagt uns das schon im Munde aller Völker lebende Zeugnis der Heiligen Schrift, welch gewaltiger Unterschied zwischen den Sitten, Taten, Arbeiten und Geschicken der beiden Brüder bestand.
S. 8134. Das tut nämlich gar nichts zur Sache, daß die Astrologen sagen, schon die kleinste und unbedeutendste Spanne Zeit, welche die Geburt der Zwillinge trennt, sei bei der Natur der Sache und bei der reißenden Schnelligkeit (der Sterne) von großer Bedeutung. Daß diese kleine Zeitspanne sehr viel ausmacht, das gebe ich schon zu. Doch können die Astrologen diesen kleinen Zeitunterschied zwischen ihren Konstellationen eben nicht bemessen; und gerade diese (zeitlich von einander scharf getrennten) Konstellationen müßten sie nach ihrer eigenen Aussage zuerst deutlich erkennen, bevor sie das Geschick (der Neugeborenen) weissagen könnten. Er sieht unbedingt nur ein und dieselbe Konstellation, mag er nun über Jakob oder über seinen Bruder befragt werden; denn er findet nun einmal keinen Unterschied in den Konstellationen. Was hilft es ihm also, wenn zwar am Himmel, gegen den er gefahrlos verwegene Verdächtigungen erhebt, ein (freilich von ihm nicht wahrnehmbarer) Unterschied (zwischen den Konstellationen) besteht, wenn er diesen Unterschied aber auf seiner Berechnungstafel nicht finden kann, die er vergebens sorgfältig betrachtet? Darum ist auch der Glaube an gewisse Zeichen der Dinge, die durch menschliche Vermessenheit eingeführt wurden, auf die gleiche Stufe zu stellen, wie die in aller Form abgeschlossenen Verträge mit den Dämonen.
Gen. 25, 25 ff. ↩
