12.
Was willst du also tun? Sag es mir. Das Gesetz in allen Stücken erfüllen, so daß du in keinem anstoßest, ist schwer; eine Schuld also ist sicher. Willst du nicht ein Heilmittel gebrauchen? Seht, meine Brüder, welches Heilmittel der Herr gegen die Krankheiten der Seele bestimmt hat. Welches also? Wenn du Kopfschmerzen hast, so loben wir es, wenn du dir das Evangelium auf das Haupt legst und nicht zu einem Amulett die Zuflucht nimmst. Denn dazu hat die Schwachheit der Menschen geführt und so sehr sind die Menschen zu bedauern, die zu den Amuletten laufen, daß wir uns freuen, wenn wir sehen, daß ein im Bette darniederliegender Mensch von Fieber und Schmerzen gequält wird und gleichwohl seine Hoffnung nur darauf setzte, daß er sich das Evangelium auf das Haupt legte, nicht weil es zu diesem Zwecke geschah, sondern weil das S. 122 Evangelium den Amuletten vorgezogen wurde. Wenn nun das Evangelium auf das Haupt gelegt wird, damit der Kopfschmerz aufhöre, soll es dann nicht auf das Herz gelegt werden, damit es von den Sünden geheilt werde? Es geschehe also! Was soll geschehen? Es soll auf das Herz gelegt werden, das Herz soll geheilt werden. Gut ist es, gut, daß du dir wegen der Gesundheit des Körpers nur Sorgen machst, um sie von Gott zu erhalten. Wenn er weiß, daß sie dir nützt, wird er sie geben; wenn er sie dir nicht gibt, so war es nicht zuträglich, sie zu haben. Wie viele sind krank im Bett als Unschuldige, und wenn sie gesund geworden sind, schreiten sie zur Begehung von Verbrechen? Wie vielen schadet die Gesundheit? Der Räuber, der in den Hohlweg geht, um einen Menschen zu töten, wäre er nicht weit besser krank? Wer nachts aufsteht, um eine fremde Wand zu durchbrechen, wie viel besser wäre es für ihn, wenn er vom Fieber hin- und hergeworfen würde? Krank wäre er unschuldiger, gesund ist er verbrecherisch. Gott weiß also, was uns zuträglich ist; seien wir nur darauf bedacht, daß unser Herz von den Sünden gesunde; und wenn wir vielleicht am Leibe gezüchtigt werden, so wollen wir ihn um Abwendung bitten. Der Apostel Paulus bat ihn, daß er den Stachel des Fleisches hinwegnehme, und er wollte ihn nicht hinwegnehmen. Ist er etwa deshalb aus der Fassung gekommen? Hat er etwa aus Betrübnis sich für verlassen erklärt? Im Gegenteil, er erklärte sich nicht für verlassen, weil nicht hinweggenommen wurde, was er hinweggenommen wissen wollte, damit jene Schwachheit geheilt würde. Denn dies fand er in der Stimme des Arztes: „Es genügt dir meine Gnade; denn die Kraft wird in der Schwachheit vollendet“1. Woher also weißt du, daß Gott dich nicht heilen will? Noch ist es dir zuträglich, gezüchtigt zu werden. Woher weißt du, wie faul das ist, was der Arzt schneidet, indem er das Messer in die faulen Teile führt? Weiß er nicht die Art2, was er tun soll, wie S. 123 lange er es tun soll? Zieht etwa das Wehklagen dessen, der geschnitten wird, die Hand des kunstrecht schneidenden Arztes zurück? Jener schreit, dieser schneidet. Ist der grausam, der auf den Schreienden nicht hört, oder ist er vielmehr barmherzig, da er der Wunde nachgeht, um den Kranken zu heilen? Dies, meine Brüder, habe ich deshalb gesagt, damit keiner etwas suche außer der Hilfe Gottes, wenn wir vielleicht die Züchtigung des Herrn zu fühlen haben. Sehet zu, daß ihr nicht zugrunde gehet, sehet zu, daß ihr nicht vom Lamme weichet und vom Löwen verschlungen werdet.