5.
Eines gewissen Geheimnisses wegen scheint der Bräutigam die Mutter, aus der er hervorging, nicht anzuerkennen und zu ihr zu sagen: „Was hast du mit mir, Weib? Meine Stunde ist noch nicht gekommen“. Was ist das? Kam er deshalb zur Hochzeit, um zu lehren, man solle die Mutter verachten. Jedenfalls hat der, zu dessen Hochzeit er kam, deshalb eine Frau genommen, damit sie Kinder gebäre, und er wollte sicherlich, daß sie von denjenigen, die sie gebären sollte, geehrt werde; sollte er also zur Hochzeit gekommen sein, um die Mutter zu entehren, da doch zur Erlangung von Kindern, denen Gott die Eltern zu ehren gebietet, die Hochzeiten gefeiert und Frauen genommen werden? Ohne Zweifel, Brüder, ist da etwas verborgen. Denn so bedeutsam ist die Sache, daß einige1, die der Apostel, wie oben erwähnt, zu meiden mahnte mit den Worten: S. 140 „Ich fürchte, daß, wie die Schlange die Eva verführt hat durch ihre Arglist, so auch euer Sinn verderbt und abwendig gemacht werde von der Einfalt und Lauterkeit, die in Christus ist“, indem sie dem Evangelium Eintrag taten und behaupteten, Jesus sei nicht von Maria der Jungfrau geboren, hieraus einen Beweis für ihren Irrtum entnahmen, so daß sie sagten: Wie konnte die seine Mutter sein, zu der er sprach: „Was hast du mit mir, Weib?“ Diesen muß man antworten und auseinandersetzen, warum Christus so gesprochen hat, damit sie nicht in ihrem krankhaften Wahn etwas gegen den gesunden Glauben gefunden zu haben meinen, wodurch die Keuschheit der jungfräulichen Braut gefährdet d. h. wodurch der Glaube der Kirche verletzt wird. Denn in der Tat, Brüder, der Glaube derer wird zugrunde gerichtet, welche die Lüge der Wahrheit vorziehen. Denn jene, die Christus so zu ehren meinen, daß sie leugnen, er habe Fleisch gehabt, erklären ihn für nichts anderes als einen Lügner. Die also die Lüge in den Menschen erbauen, was treiben sie von ihnen aus als die Wahrheit? Den Teufel bringen sie hinein, Christus schließen sie aus; den Ehebrecher bringen sie hinein, den Bräutigam schließen sie aus, nämlich als Brautführer oder vielmehr als Kuppler der Schlange. Denn darauf zielt ihr Reden ab, daß die Schlange im Besitz sei, Christus ausgeschlossen werde. Wie ist die Schlange im Besitze? Wenn sie die Lüge besitzt. Wenn die Falschheit im Besitze ist, ist die Schlange im Besitz; wenn die Wahrheit im Besitze ist, ist Christus im Besitze. Denn er selbst hat gesagt: „Ich bin die Wahrheit“2; von jenem aber hat er gesagt: „Und er bestand nicht in der Wahrheit, weil Wahrheit nicht in ihm ist“3. So aber ist Christus die Wahrheit, daß du alles Wahre in Christus annehmen mußt. Wahr ist das Wort, gleicher Gott wie der Vater, wahr die Seele, wahr das Fleisch, wahr der Mensch, wahr Gott, wahr die Geburt, wahr das Leiden, wahr der Tod, wahr die Auferstehung. Wenn du etwas davon falsch nennst, so tritt Fäulnis ein, S. 141 aus dem Gift der Schlange entstehen die Würmer der Lügen und nichts wird unversehrt bleiben.