1.
Es darf uns nicht verwundern, daß von Gott ein Wunder gewirkt wurde; denn zu verwundern wäre es, wenn ein Mensch es gewirkt hätte. Mehr freuen als verwundern müssen wir uns, daß unser Herr und Erlöser Jesus Christus Mensch geworden ist, als daß Gott Göttliches unter den Menschen vollbracht hat. Denn mehr dient zu unserem Heile das, was er wegen der Menschen geworden ist, als was er unter den Menschen getan hat, und mehr ist es, daß er die Mängel der Seelen heilte, als daß er die Schwächen der dem Tode unterworfenen Leiber heilte. Aber weil die Seele den nicht kannte, von welchem sie geheilt werden sollte, und nur Augen im Fleische hatte, um körperliche Werke zu sehen, aber noch keine gesunden Augen im Herzen hatte, um den verborgenen Gott zu schauen, so wirkte er, was sie sehen konnte, damit das geheilt würde, womit sie nicht zu sehen vermochte. Er betrat einen Ort, wo eine große Menge von Kranken, Blinden, Lahmen, Schwindsüchtigen lag, und da er der Arzt der Seelen und der Körper war und zur Heilung aller Seelen, die an ihn glauben würden, gekommen war, so wählte er sich von jenen Kranken einen aus, um die Einheit anzudeuten. Wenn wir mit schwächlichem Herzen und gleichsam mit menschlicher Auffassung uns Sinnesart seine Tat betrachten, so hat er vom Standpunkt der Macht nichts Großes vollbracht und vom Standpunkt der Güte nur wenig getan. So viele lagen da, und nur einer wurde geheilt, da er doch mit einem einzigen Worte alle aufrichten konnte. Wie anders also ist dies zu verstehen, S. 285 als daß jene Macht und Güte mehr auf das abzielte, was die Seelen in seinen Taten für das ewige Heil erkennen sollten, als was die Leiber für das zeitliche Wohl erlangen sollten. Denn das wahre Heil des Leibes, welches vom Herrn zu erwarten ist, wird erst am Ende bei der Auferstehung der Toten eintreten; dann wird, was lebt, nicht mehr sterben; dann wird, was heil ist, nicht mehr krank werden; dann wird, was satt ist, nicht mehr hungern oder dürsten; dann wird, was erneuert wird, nicht mehr alt werden. Jetzt aber, da unser Herr und Erlöser Jesus Christus jene Taten vollbrachte, wurden die geöffneten Augen im Tode wieder geschlossen, sowie die festgefügten Gelenke der Gichtbrüchigen im Tode wieder gelöst, und was immer eine Zeitlang in den sterblichen Gliedern geheilt wurde, nahm schließlich wieder ein Ende, die gläubige Seele aber ging hinüber ins ewige Leben. Der gläubigen Seele also, deren Sünden nachzulassen er gekommen war, deren Krankheiten zu heilen er sich erniedrigt hatte, gab er durch die Heilung dieses Kranken ein bedeutungsvolles Zeichen. Das tiefe Geheimnis dieses Vorgangs und dieses Zeichens will ich euch mit Gottes Gnade, wenn ihr aufmerket und unsere Schwachheit mit eurem Gebete unterstützet, nach bestem Vermögen darlegen. Was ich aber nicht vermag, wird der in euch ergänzen, mit dessen Hilfe ich tue, was ich kann.