2.
Es ruft uns also der Herr zu: „Er stand“ nämlich „und rief: Wenn jemand dürstet, komme er zu mir und trinke. Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, aus dessen Innern werden Ströme lebendigen Wassers fließen“. Was dies heiße, haben wir, da es der Evangelist selbst erklärt hat, nicht nötig länger zu untersuchen. Denn was der Herr gesagt hat: „Wenn jemand dürstet, komme er zu mir und trinke“, und: „Wer an mich glaubt, aus dessen Innern werden Ströme S. 505 lebendigen Wassers fließen“, hat der Evangelist nachher erklärt, indem er sagt: „Dies aber sagte er von dem Geiste, welchen die an ihn Glaubenden empfangen würden. Denn noch war der Geist nicht gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war“. Es ist also ein innerer Durst und ein innerer Schoß, weil ein innerer Mensch ist. Jener innere ist unsichtbar, der äußere aber sichtbar, aber besser ist der innere als der äußere. Und was nicht gesehen wird, wird mehr geliebt; denn es ist bekannt, daß der innere Mensch mehr geliebt wird als der äußere. Woher ist dies bekannt? Jeder mache an sich selbst die Probe. Denn obwohl jene, die schlecht leben, ihre Seelen an den Körper hingeben, so wollen sie doch leben, was aber nur der Seele zukommt, und geben sich selbst mehr als solche kund, die lenken, denn als das, was gelenkt wird. Denn es lenken die Seelen, die Körper werden gelenkt. Es freut sich einer an der Lust und schöpft vom Körper Lust, aber sondere die Seele ab, so bleibt im Körper nichts, was sich freuen mag; und wenn er sich am Körper erfreut, erfreut sich die Seele. Wenn sie sich an ihrem Hause erfreut, soll sie sich nicht an sich selbst erfreuen? Und wenn die Seele einen äußeren Gegenstand hat, an dem sie sich ergötzt, bleibt sie dann innerlich ohne Lust? Überhaupt es steht fest, daß der Mensch seine Seele mehr als seinen Leib liebt. Aber auch bei einem anderen Menschen liebt der Mensch mehr die Seele als den Leib. Denn was wird am Freunde geliebt, wo die Liebe lauterer und keuscher ist? Was wird am Freunde geliebt, die Seele oder der Leib? Wenn die Treue geliebt wird, wird die Seele geliebt; wenn das Wohlwollen geliebt wird, so ist der Sitz des Wohlwollens die Seele; wenn du das am andern liebst, daß auch er dich liebt, liebst du die Seele, weil nicht das Fleisch, sondern die Seele liebt. Denn darum liebst du, weil er dich liebt; frage, womit er dich liebt, und siehe, was du liebst. Sie wird also mehr geliebt und wird nicht gesehen.