3.
Schließlich höre der Mensch, der nachfolgen will, auf welchem Wege er nachfolgen soll. Es ist vielleicht eine schreckliche Stunde herangekommen, es wird die Wahl gelassen, ein Unrecht zu begehen oder ein Leiden auf sich zu nehmen; die schwache Seele wird betrübt, S. 759 derentwegen die unbesiegte Seele1 freiwillig betrübt wurde; ziehe deinem Willen den Willen Gottes vor. Denn gib acht, was darauf dein Schöpfer und dein Lehrer beifügt, der dich gemacht hat und, um dich zu lehren, selbst das geworden ist, was er gemacht hat; Mensch ist er ja geworden, er, der den Menschen erschaffen hat, aber Gott blieb unwandelbar und wandelte nur den Menschen zum Besseren um. Höre also, was er weiter beifügt, nachdem er gesagt hatte: „Jetzt ist meine Seele betrübt“. „Und was soll ich sagen?“ spricht er. „Vater, rette mich aus dieser Stunde; aber deshalb bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche Deinen Namen.“ Er hat dich gelehrt, was du denken, er hat dich gelehrt, was du sagen, wen du anrufen, auf wen du hoffen, wessen sicheren und göttlichen Willen du deinem menschlichen und schwachen Willen vorziehen sollst. Du sollst nicht meinen, daß er von oben her etwas verliere, weil er will, daß du von unten her etwas gewinnest2. Denn er ließ sich auch herab, vom Teufel versucht zu werden, von dem er, hätte er nicht gewollt, sicherlich nicht versucht worden wäre, wie er auch, hätte er nicht gewollt, nicht gelitten hätte, und er antwortete dabei dem Teufel das, was auch du in Versuchungen antworten sollst3. Er ist zwar versucht worden, aber nicht in Gefahr gekommen, um dich, wenn du in der Versuchung in Gefahr bist, zu lehren, wie du dem Versucher antworten und dem Versucher nicht folgen, sondern der Gefahr der Versuchung entgehen sollst. Wie er aber hier gesagt hat: „Jetzt ist meine Seele betrübt“, so hat er auch da, wo er sagt: „Meine Seele ist betrübt bis zum Tode“, und: „Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber“, die Schwachheit des Menschen angenommen, um auf diese Weise S. 760 den Betrübten und Erschütterten zu lehren, was er weiter sagt: „Doch nicht, wie ich will, sondern wie Du willst, Vater“4. Denn so wird der Mensch vom Menschlichen zum Göttlichen hingelenkt, wenn dem menschlichen Willen der göttliche Wille vorgezogen wird. Was heißt aber: „Verherrliche Deinen Namen“, als in seinem Leiden und seiner Auferstehung? Was heißt es also anders, als daß der Vater den Sohn verherrliche, der seinen Namen auch bei ähnlichen Leiden seiner Diener verherrlicht? Darum heißt es von Petrus, der Herr habe deshalb von ihm gesagt: „Ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst“, weil er andeuten wollte, „durch welche Todesart er Gott verherrlichen sollte?5 Also hat auch in ihm Gott seinen Namen verherrlicht, weil er so auch in seinen Gliedern Christus verherrlicht.
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Die Seele Christi. ↩
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Non ideo tibi videatur ex alto deficere, quia te vult ab imo proficere. Die Herablassung des menschgewordenen Sohnes Gottes zu der menschlichen Schwachheit darf nicht zu der Meinung verleiten, als ob dadurch die Gottheit leide oder als ob Christus von der Gottheit verlassen sei. ↩
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Matth. 4, 1―10. ↩
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Matth. 26, 38 f. ↩
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Joh. 21, 18 f. ↩