16. Kap. Gott strafte die Übertretungen der von ihm gebotenen Enthaltsamkeit von Speisen. Beispiele dafür aus dem Alten Testament. Sogar Heiden und Juden üben sie und stehen darin über den Psychikern.
Auch wenn er die Werke der Gerechtigkeit höherstellt, so will er sie doch nicht ohne Opfer, d. h. ohne eine Seele, die sich durch Fasten kasteiet1. Sicher ist er jener Gott, dem auch das Volk, als es unenthaltsamen Gaumens war, sowie der Prophet und der Priester mißfiel2. Noch stehen die Denkmäler ihrer Begierlichkeit, wo das Volk begraben liegt, das nach Fleisch lüstern war und sich den Magen bis zum Übelwerden mit Wachteln überfüllte. Der alte Heli stürzt an der Pforte des Tempels tot zu Boden, seine Söhne fallen in der Schlacht, die Schwiegertochter stirbt im Wochenbett3, Diese Heimsuchungen hatte die unverschämte Familie, die die Fleischopfer unterschlug, von Gott verdient. S. 555Als Sameas4, der Mann Gottes, der vom König Jeroboam eingeführten Idololatrie den Untergang prophezeite, nach der Verdorrung und sofortigen Wiederherstellung der Hand des Königs und nach der Berstung des Altars vom König wegen dieser Wunderzeichen eingeladen wurde, damit ihm Genugtuung zuteil werde, da weigerte er sich offen, dort überhaupt Speise anzurühren; denn es war ihm von Gott verboten worden. Da er aber bald nachher von einem andern Greise, der sich lügenhaft für einen Propheten ausgab, sich leichtsinniger Weise beköstigen ließ, wurde er zufolge des Wortes Gottes, das auf dem Fleck noch über Tisch an ihn erging, nicht bei seinen Vätern begraben. Unterwegs von einem Löwen, dem er begegnete, niedergestreckt, bei Fremden begraben, büßte er für jene Preisgabe des Fastens5.
Das wären Beispiele sowohl für das Volk als auch für die Bischöfe, sogar für die Geistbegabten, wenn diese sich eine Unenthaltsamkeit des Gaumens zuschulden kommen lassen. Nicht einmal in der Unterwelt nehmen die Vermahnungen ein Ende; dort wird der reiche Prasser für seine Gelage bestraft, der arme Lazarus aber für sein Fasten erquickt; für beides6 lagen die Vorschriften des Moses und der Propheten vor. Denn auch Joël rief aus: „Heiliget ein Fasten, verkündet eine Aufwartung“7, indem er voraus erkannte, daß auch andere Apostel und Propheten Fasten verordnen und Dienste, welche Gottes warten8, predigen würden. Daher hat man auch von denen, welche durch die Reinerhaltung ihrer Götzenbilder, durch die Ausschmückung ihrer Altäre9 und ihre allstündliche Begrüßung sich S. 556die Götter geneigt zu machen suchen, gesagt, sie besorgen eine Aufwartung.
Sogar die Heiden lassen Verdemütigungen aller Art gelten. Wenn die Witterung stockt und die Jahreszeit Dürre zeitigt, so werden Prozessionen mit bloßen Füßen angesagt, die Magistratspersonen legen ihre Purpurkleider ab, die Fasces werden rücklings getragen, sie sagen die Gebetsformel her und bringen immer wieder Opfer dar. In manchen Kolonien aber bringt man außerdem noch, in Säcke gehüllt und mit Asche bestreut, in alljährlicher Feier den Götzen in flehender Weise ein Fasten dar10, und die Bäder und Schenken bleiben bis drei Uhr nachmittags geschlossen. Nur ein Feuer ist in den Straßen zu sehen, das auf den Altären. Wasser findet sich nicht einmal in den Schüsseln. Man denkt an eine ninivitische Landestrauer.
Sicher wird das jüdische Fasten überall gehalten, indem die Juden mit Hintansetzung ihrer Tempel bereits an jedem Meeresgestade und überall im Freien zu bestimmten Zeiten ihr Gebet gen Himmel senden. Und obwohl sie dabei durch Putz und Schmuck diesen Trauerdienst schänden, so affektieren sie doch Enthaltsamkeit und sehnen sich nach der Erscheinung des säumenden Abendsternes, der ihre Pflicht normiert.
Daß du, unsere Xerophagien lästernd, sie dem Keuschheitsfest der Isis und Cybele vergleichst, das ist so schlimm noch nicht. Ich lasse die Vergleichung als ein Zeugnis gelten. Es dürfte sich daraus ergeben, daß sie göttlichen Ursprungs sind, indem der Teufel, der Nachäffer der göttlichen Dinge, sie nachahmt. Aus der Wahrheit baut sich die Lüge auf, aus der Religion setzt sich der Aberglaube zusammen. Darum stehst du um so irreligiöser da, je mehr der Heide willig ist. Jener S. 557bringt seine Gaumenlust dem Idol zum Opfer, du willst sie Gott nicht zum Opfer darbringen. Denn dein Gott ist der Bauch, die Bauchhöhle dein Tempel, der Wanst dein Altar, der Koch dein Priester, der Fettdunst vertritt dir den Hl. Geist, die Gewürze sind deine Charismen, dein Prophezeien besteht im Rülpsen,
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Ps 51,18. ↩
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Num. 11,4 ff. ↩
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1 Kön. 4,17 ff. ↩
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Dieser Name kommt in den betreffenden Schriftstelle nicht vor. ↩
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3 Kön. 14, 1-24. ↩
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habentia, nämlich sowohl die Bestrafung der Völlerei wie die Belohnung des Fastens. ↩
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Joël 1,14. Bei Joël folgt aber nicht praedicate, curationem. ↩
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Tertullian wählt den Ausdruck curare mit Rücksicht auf das von ihm vorher gebrauchte curatio. ↩
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Nach der Konjektur in aris, andere lesen hac in re, andere in sacro. ↩
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Nach der Konjektur der Wiener Ausgabe inediam supplicem (statt invidiam supplicem). Sie empfiehlt sich nicht nur durch den Gebrauch von inedia in den früheren Kapiteln, sondern auch durch den folgenden Hinweis auf die Landestrauer in Ninive, die ja vor allem in Fasten bestand. Außerdem ist invidiam supplicem schwer zu rechtfertigen. Vgl. auch Apol. 40, S. 150 Anm. 2. ↩