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Werke Augustinus von Hippo (354-430) De catechizandis rudibus

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Vom ersten katechetischen Unterricht (SKV 7)

15. Kapitel

23. Doch vielleicht forderst du nun auch das noch als Schuld ein, was ich dir gar nicht schuldig war, bevor ich es versprach, daß ich mich selber in die Rolle des Katecheten versetze, mit innerem Feuer einen Mustervortrag gestalte und dir zum Überdenken vorlege.1 Bevor ich damit beginne, bitte ich dich noch zu bedenken, daß es sich entscheidend auf die Grundeinstellung auswirkt, ob man diktiert und dabei den S. 52 zukünftigen Leser vor Augen hat oder ob man vorträgt und dabei auf den anwesenden Hörer achtet; im letzteren Fall wiederum, ob man einem Menschen unter vier Augen zuredet, also kein dritter anwesend ist, der uns kritisch beurteilt, oder ob man in der Öffentlichkeit unterrichtet, wo eine Zuhörerschaft mit unterschiedlichen Meinungen uns umsteht; in diesem Fall wiederum, ob nur einer am Unterricht teilnimmt, die übrigen aber gleichsam als Richter und Zeugen sich anhören, was ihnen bereits bekannt ist, oder ob alle gemeinsam erwartungsvoll dem Vortrag lauschen; und bei dieser Situation wiederum, ob man gewissermaßen privat zusammensitzt und ein lebhaftes Gespräch miteinander führt oder ob ein schweigendes Publikum gespannt auf den einen blickt, der vom erhöhten Standort aus zu sprechen anfängt; und hier noch einmal, ob nur wenige da sind oder viele, ob es Gebildete oder Ungebildete sind oder eine Mischung von beiden, ob es Stadt- oder Landbewohner sind oder beides zugleich, ob sich das Publikum aus allen Schichten zusammensetzt. Es ist nämlich unvermeidlich, daß diese Umstände unsere Stimmung vor dem Gespräch oder der Rede in dieser oder jener Weise beeinflussen und daß die Rede, die da gehalten wird, gewissermaßen die Gemütsstimmung dessen widerspiegelt, der sie hält, und sich dementsprechend unterschiedlich auf die Stimmung der Zuhörer auswirkt; sogar diese selber wirken ja durch ihre bloße Anwesenheit aufeinander ein. Da wir uns hier mit der Einführungskatechese vor der Aufnahme ins Katechumenat beschäftigen, kann ich aus eigener Erfahrung bezeugen, wie sehr jeweils meine Stimmung von der Art des Kandidaten abhängt, den ich vor mir sehe: ob es ein Gebildeter oder ein einfacher Geist ist, ein Bürger oder ein Zugewanderter, ein Reicher oder ein Armer, ein gewöhnlicher Bürger oder ein Mann mit Rang und Namen, einer, der eine politische Machtstellung einnimmt, einer aus der oder jener Familie, aus der oder jener Altersstufe, Mann oder Frau, aus der oder jener Philosophenschule, aus der oder jener weitverbreiteten Irrlehre. S. 53

Der Verschiedenartigkeit meiner Stimmung entsprechend kommt das Gespräch in Gang, nimmt es seinen weiteren Verlauf, gelangt es an sein Ziel. Und da wir nun allen dieselbe Liebe schulden, aber nicht bei allen dieselbe Medizin anwenden dürfen, liegt eben diese Liebe selber in gleicher Weise mit den einen in Wehen, mit den andern ist sie entkräftet,2 die einen sucht sie aufzubauen, bei den andern meidet sie ängstlich jeden Anstoß, zu den einen beugt sie sich nieder, zu den andern steigt sie empor, zu den einen ist sie ermunternd, zu den andern streng, zu keinem abweisend, zu allen ist sie Mutter.

Wenn einer nun das, wovon wir hier reden, nicht aus derselben Liebe heraus versucht hat, und wenn er nun sieht, daß wir aus dem Mund der Leute Lob und Ruhm ernten, weil ein Talent, das uns geschenkt ist, Gefallen findet, dann hält er uns deswegen für einen glücklichen Menschen. Doch Gott, »vor dessen Antlitz der Gefangenen Stöhnen«3 gelangt, »möge unser Elend und unsere Mühsal ansehen und alle unsere Sünden uns vergeben«.4

Wenn dir also einiges an unseren Ausführungen gefallen hat, so daß du von uns eine Anleitung für deine eigene Vortragsgestaltung hören möchtest, so würdest du doch größeren Gewinn daraus ziehen, uns bei einem Vortrag selber zuzuhören und zuzusehen, als das zu lesen, was wir hier diktieren.


  1. Zu Beginn von 14. ↩

  2. Vgl. 1 Kor 9,22. ↩

  3. Ps 78,11. ↩

  4. Ps 24,18. ↩

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Vom ersten katechetischen Unterricht (BKV)

15. Kapitel: Der Lehrvortrag des Katecheten muß je nach den Zuhörern ein verschiedener sein

S. 27023. Aber vielleicht verlangst du nunmehr auch schon als dein gutes Recht, was ich dir gar nicht schuldig gewesen wäre, hätte ich es dir nicht vorher versprochen; vielleicht verlangst du nämlich, ich möchte dir doch einen Mustervortrag halten und dir so anschaulich einen solchen zeigen, als ob ich selbst jemanden unterrichtete. Bevor ich das jedoch tue, möchte ich dir noch folgendes zu bedenken geben: In einer ganz anderen Stimmung befindet sich bei der Abfassung [eines Vortrages] der, der an einen künftigen Leser denkt, als derjenige, der bei seinem mündlichen Vortrag seinen Zuhörer persönlich vor seinen Augen hat. Selbst in letzterem Falle ist die Stimmung ganz verschieden bei dem, der ohne kritisierenden Zeugen unter vier Augen seine Ermahnung gibt und bei dem, der öffentlich lehrt und dabei den so verschiedenartigen Meinungen seiner Zuhörerschaft ausgesetzt ist; und auch hiebei ist es wieder etwas anderes, ob der Unterricht nur einem Zuhörer gilt, während die anderen als Richter oder Zeugen über Dinge, die ihnen schon bekannt sind, dem Vortrag beiwohnen, oder ob alle zusammen auf unsern Vortrag acht geben. Und schließlich ist auch in letzterem Falle wieder ein Unterschied, ob man sich wie zu einer freundschaftlichen Unterhaltung im häuslichen Kreis zusammensetzt oder ob das Volk lautlos am Munde des von erhabener Stätte aus sprechenden Redners hängt; und auch bei dieser Vortragsweise kommt viel darauf an, ob nur wenige Zuhörer da sind oder viele, ob es gebildete oder ungebildete oder beide Arten untermischt, ob es Städter oder Bauersleute oder beides zusammen sind oder ob sich das Volk aus allen möglichen Menschenklassen zusammensetzt. Denn alle diese Umstände müssen ja doch jedesmal verschieden auf den einwirken, der da im Begriffe steht zu sprechen und einen Vortrag zu halten, und der Vortrag, der gehalten wird, muß ja doch gleichsam ein Abbild von dem geistigen Zustand des Redners sein und muß gemäß der angegebenen Verschiedenheit S. 271auch ganz verschieden auf die Zuhörer wirken, während diese selbst schon durch ihre Gegenwart verschieden aufeinander einwirken. Da wir indes hier vom ersten Religionsunterricht sprechen, so kann ich aus meiner eigenen Erfahrung bezeugen, wie ganz verschieden meine Stimmung ist, je nachdem ich bei dem Unterricht einen Gelehrten oder geistig Beschränkten, einen Einheimischen oder einen Fremden, einen Reichen oder einen Armen, einen Privatmann oder einen, der in Ehren und Würden steht, einen Angehörigen dieses oder jenes Volkes, einen Menschen dieses oder jenen Alters oder Geschlechtes, ein Mitglied dieser oder jener Sekte, einen, in diesem oder jenem Irrtum Befangenen vor meinen Augen sehe. Diese meine verschiedene Stimmung bedingt dann auch die Einleitung, den Fortgang und den Schluß meines Vortrages. Es muß zwar die Liebe zu allen gleich groß sein, allein sie darf doch nicht allen dieselbe Arznei reichen: dieselbe Liebe liegt mit den einen in Geburtswehen, ist mit den anderen schwach, ist bemüht, die einen zu erbauen und vermeidet ängstlich anderen Anstoß zu geben, zu den einen neigt sie sich herab, zu den anderen steigt sie empor, den einen begegnet sie schmeichelnd, den anderen mit Strenge, sie ist gegen niemand feindselig, für jedermann aber ist sie Mutter. Und wer in derselben Liebe noch nicht erfahren hat, was ich sage, der hält uns deshalb für glücklich, weil er mit Freuden sieht, wie uns in einem gewissen Grad die Gabe zuteil geworden ist, in anerkennenswerter Weise den Leuten zu Herzen zu reden. Gott aber, vor dessen Angesicht das Seufzen der Gefangenen hintritt1 , möge unsere Armseligkeit und Mühsal ansehen und uns all unsere Sünden verzeihen2 . Gefällt dir demnach das eine oder andere an mir und wünschest du darum von mir ein Muster für deinen Vortrag zu erhalten, so würdest du die Sache doch viel besser erfassen, wenn du mich während meines Vortrages selber sähest und hörtest, statt bloß zu lesen, was ich darüber niederschreibe.


  1. Vgl. Ps. 78,11. ↩

  2. Vgl. ebd. 24,18. ↩

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