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Vom ersten katechetischen Unterricht (SKV 7)
18. Kapitel
29. Da nun der allmächtige Gott auch gut, gerecht und barmherzig ist, schuf er alles gut, sowohl das Große wie auch das Kleine, sowohl das Höchste wie auch das Niedrigste, sowohl das Sichtbare – nämlich Himmel, Erde und Meer, und am Himmel Sonne und Mond und die übrigen Gestirne, auf der Erde und im Meer aber Bäume und Gesträucher und alle Tiere, jedes nach seiner Art, also sämtliche Körper am Himmel und auf der Erde – wie auch das Unsichtbare, nämlich das Geistige, welches die Körper bewegt und belebt; und er schuf auch den Menschen nach seinem Bild1: Wie Gott selber durch seine Allmacht der gesamten Schöpfung vorsteht, so sollte der Mensch durch seine Vernunft, mit der er auch seinen Schöpfer erkennt und verehrt, allen irdischen Lebewesen vorstehen. Und er schuf ihm als Hilfe die Frau,2 nicht für das fleischliche Begehren, denn bevor die Sterblichkeit über die Menschen hereinbrach als Strafe für ihre Sünde, hatten sie ja noch keine vergänglichen Körper, vielmehr damit auch der Mann Ruhm habe von seiner Frau,3 wenn er ihr auf dem Weg zu Gott voranschreitet und ihr ermöglicht, S. 61 ihm in Heiligkeit und Frömmigkeit nachzufolgen, so wie der Mann Gott zum Ruhm gereichte, wenn er seiner Weisheit folgen würde.
30. Der Herr siedelte sie also an einem Ort immerwährender Glückseligkeit an, den die Schrift Paradies nennt.4 Er gab ihnen ein Gebot,5 bei dessen Einhaltung sie für immer in jenem glücklichen Zustand der Unsterblichkeit bleiben könnten, bei dessen Übertretung aber die Sterblichkeit als Strafe verhängt würde. Gott wußte aber voraus, daß sie das Gebot übertreten würden. Da er aber der Schöpfer und Urheber alles Guten ist, schuf er sie trotzdem, wie er auch die Tiere geschaffen hat, und zwar um die Erde vollends mit den Gütern, die zu dieser Erde gehören, zu füllen. Der Mensch steht ja, auch als Sünder, immer noch über dem Tier. Das Gebot aber, das sie nicht einhalten würden, gab er ihnen trotzdem, damit sie später keine Entschuldigung hätten,6 wenn er einmal strafend gegen sie vorginge. Wie auch immer nun der Mensch handeln wird, Gott erscheint ihm lobenswert in seinen Taten:7 Wenn er recht handelt, erscheint ihm Gott lobenswert in der Gerechtigkeit seiner Belohnung; wenn er sündigt, erscheint ihm Gott lobenswert in der Gerechtigkeit seiner Bestrafung; wenn er die Sünden bekennt und auf den rechten Weg zurückkehrt, erscheint ihm Gott lobenswert in der Barmherzigkeit seiner Vergebung. Warum also hätte Gott den Menschen nicht erschaffen sollen, auch wenn er vorauswußte, daß dieser sündigen werde? Er wollte ihm ja den Siegeskranz geben, wenn er standhaft bliebe, er wollte ihn zur Ordnung weisen, wenn er fiele, er wollte ihm helfen, wenn er sich aufzurichten suchte, und war selber S. 62 immer und überall voll der Herrlichkeit durch seine Güte, Gerechtigkeit und Milde.8 Vor allem aber wußte er voraus, daß aus diesem Geschlecht, das dem Tod verfallen ist, einmal Heilige hervorgehen werden, die nicht ihre eigene Ehre suchen, sondern dem Schöpfer die Ehre erweisen werden,9 und die, durch ihre Gottesverehrung von aller Verderbnis befreit, einmal würdig werden, zusammen mit den heiligen Engeln ewig zu leben und glückselig zu leben. Wie Gott nämlich den Menschen den freien Willen gab, ihn ohne sklavischen Zwang, in freier Selbstentscheidung zu verehren, genauso gab er ihn auch den Engeln. Aus diesem Grund hat auch jener Engel, der in seinem Hochmut mit andern Geistern als Begleitern Gott den Gehorsam aufkündigte und zum Teufel wurde, nicht Gott, sondern sich selbst geschadet. Denn Gott versteht es, abtrünnige Geister10 zur Ordnung zu weisen, und aufgrund des Elends, das sie zurecht getroffen hat, die niederen Teile der Schöpfung mit den höchst sinnvollen und zweckmäßigen Gesetzen seines wunderbaren Heilsplans vertraut zu machen. So fügte weder der Teufel in irgendeiner Weise Gott Schaden zu, indem er von ihm abfiel oder den Menschen zur todbringenden Sünde verführte, noch minderte der Mensch auch nur in geringster Weise die Wahrheit, Macht und Glückseligkeit seines Schöpfers, als er aus freiem Willen mit seiner Ehefrau gemeinsame Sache machte, die vom Teufel dazu verführt worden war, zu tun, was Gott verboten hatte.11 Denn alle sind nach den höchst gerechten Gesetzen Gottes verurteilt worden: Gott steht da im Glanz der Ehre durch die Gerechtigkeit seiner Bestrafung, jene in Schande durch die Schmach ihrer Strafe. Für den Menschen bestand diese darin, daß er nach seiner Abkehr vom Schöpfer durch den Teufel besiegt und unterworfen S. 63 wurde, für den Teufel aber darin, daß er im Menschen seinen Meister finden sollte, wenn dieser zu seinem Schöpfer zurückkehrte; wer mit dem Teufel bis zum Ende gemeinsame Sache machte, sollte mit ihm in die ewige Strafe eingehen, wer sich aber Gott unterwarf und mit seiner Gnade den Teufel besiegte, sollte den ewigen Lohn verdienen.12
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Vgl. Gen 1,26. ↩
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Vgl. Gen 2,18. ↩
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Vgl. 1 Kor 11,7. Zur Stellung der Frau bei Augustin vgl. K. Thraede, ↩
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Vgl. Gen 1,8. ↩
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Vgl. Gen 2,16f. ↩
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Vgl. Röm 1,20. ↩
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Vgl. Ps 144,3. ↩
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Vgl. Dan 3,56. ↩
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Vgl. Ps 113,9; Joh 7,18. ↩
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In den Retraktationen 2,14 ersetzt Augustinus den Begriff animas durch spiritus, weil es sich hier um Engel handle. ↩
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Vgl. Gen 3,1 ff. ↩
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Vgl. Mt 25,46. ↩
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Vom ersten katechetischen Unterricht (BKV)
18. Kapitel: Von der Erschaffung der Menschen und der übrigen Geschöpfe
S. 27829. Da nun Gott allmächtig ist und dazu gut und gerecht und barmherzig, so hat er alles gut gemacht1 , das Große und das Kleine, das Höchste und das Niedrigste, das, was sichtbar ist, nämlich Himmel und Erde und Meer und am Himmel Sonne und Mond und alle übrigen Gestirne, auf der Erde aber und im Meer Bäume und Sträucher und Tiere jeglicher Art, kurz alle Himmels- und Erdenkörper, dazu das was unsichtbar ist, nämlich die Geister, wodurch die Körper Wachstum und Lebenskraft haben. Auch den Menschen hat er erschaffen, und zwar nach seinem Ebenbild, damit wie er selber durch seine Allmacht die ganze Schöpfung beherrscht, so der Mensch durch seine Vernunft, womit er zugleich seinen Schöpfer erkennt und verehrt, alle irdischen Wesen beherrsche. Er schuf ihm auch zur Gehilfin das Weib2 , nicht zum Zweck der Fleischeslust, denn ihre Körper waren ja, ehe sie der Sterblichkeit als Sündenstrafe unterlagen, auch der Verderbnis nicht unterworfen, sondern damit der Mann Ehre habe von seinem Weibe, indem er ihm den Weg zu Gott voranwandle und ihm in Heiligkeit und Hingebung ein Beispiel zur Nachahmung gebe, geradeso wie der Mann selber der Ruhm Gottes gewesen wäre, wenn er Gottes Weisheit nachgefolgt wäre.
30. Gott setzte dann die Menschen an einen Ort beständiger Glückseligkeit, den die Heilige Schrift Paradies nennt, und gab ihnen ein Gebot, dessen getreue Haltung ihnen den dauernden Besitz einer glückseligen Unsterblichkeit gesichert hätte, dessen Übertretung sie aber mit der Strafe des Todes büßen sollten. Gott wußte zwar voraus, daß sie das Gebot übertreten würden; dennoch schuf er sie, um so mehr, da er ja auch die Tiere schuf, um so die Erde mit irdischen Gütern S. 279anzufüllen; denn er ist ja der Schöpfer und Urheber alles Guten. Auch im Stande der Sünde ist ja der Mensch fürwahr immer noch besser als das Tier. Und das Gebot, das sie nicht halten sollten, hat er ihnen auch mehr deshalb gegeben, damit sie keine Entschuldigung hätten, falls er sie zu strafen beginne; denn mag der Mensch auch handeln wie er will, Gott zeigt sich ihm bei seinen Handlungen immer preiswürdig: preiswürdig in seiner lohnenden Gerechtigkeit, wenn der Mensch Gutes tut, preiswürdig aber auch in seiner strafenden Gerechtigkeit, wenn der Mensch sündigt, preiswürdig in seiner verzeihenden Barmherzigkeit, wenn der Mensch seine Sünde bekennt und zu einem gerechten Leben zurückkehrt. Warum hätte also Gott den Menschen nicht erschaffen sollen, wenn er auch vorauswußte, daß er sündigen werde? Wollte er ihm ja doch die Krone geben, wenn er aufrecht bliebe, wollte er ihm ja doch seine rechte Stellung anweisen, wenn er fiele und wollte er ihm ja doch helfen, wenn er wieder aufstände: immer und überall gleich glorreich in seiner Güte und Gerechtigkeit und Milde. Vor allem aber sah er zugleich auch voraus, daß aus diesem sterblichen Geschlechte einmal Heilige hervorgehen würden, die nicht das Ihrige suchen, sondern ihrem Schöpfer die Ehre geben würden und die in seinem Dienste von aller Verderbnis frei werden und sich ein ewiges, seliges Leben mit den heiligen Engeln verdienen würden. Denn er, der den Menschen den freien Willen gegeben hat, damit sie nicht in knechtischer Notwendigkeit, sondern in freier Selbstentscheidung Gott verehrten, hat jenen freien Willen auch den Engeln gegeben; darum hat auch jener Engel, der mit den anderen ihm anhängenden Geistern in Hochmut Gott den Gehorsam aufsagte und so zum Teufel wurde, nicht Gott geschadet, sondern nur sich selbst. Denn Gott weiß auch die von ihm abfallenden Seelen3 seiner Ordnung zu unterwerfen und aus ihren gerechten Qualen für die niedrigen Teile seiner Schöpfung durch die angemessensten und weisesten S. 280Gesetze seiner wunderbaren Fügung Gutes zu ziehen. So hat weder der Teufel Gott geschadet, als er selber [in Sünde] fiel oder als er den Menschen zum Tode verführte, noch hat auch der Mensch irgendwie der Wahrheit oder der Macht und Glückseligkeit seines Schöpfers Eintrag getan, als er freiwillig seinem vom Teufel verführten Weibe zu dem zustimmte, was Gott verboten hatte. Denn ganz mit Recht sind sie alle nach den Gesetzen Gottes verworfen worden, Gott steht glorreich da in der Gerechtigkeit seiner Rache, sie aber stehen voll Schande da in ihrer schmachvollen Strafe: denn der Mensch, der sich von Gott abwendet, muß dem Teufel unterliegen und ihm unterworfen werden, der Teufel aber soll wieder in dem Menschen, der sich seinem Schöpfer wieder zuwendet, seinen Besieger finden; alle aber, die bis zum Ende in der Gemeinschaft mit dem Teufel ausharren, sollen mit ihm in die ewige Verdammnis eingehen, alle jedoch, die sich demütig unter Gott beugen und mit seiner Gnade über den Teufel Herr werden, sollen ewigen Lohn verdienen.