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Vom ersten katechetischen Unterricht (SKV 7)
6. Kapitel
10. Sollte einmal jemand antworten, er sei durch ein mahnendes oder schreckendes Zeichen Gottes veranlaßt worden, Christ zu werden, gibt er uns damit einen ganz fruchtbaren Einstiegsgedanken an die Hand, wie groß doch die Sorge Gottes für uns ist. Freilich müssen wir dann seine Aufmerksamkeit von solchen Wunderzeichen und Traumbildern auf den festeren Pfad und die glaubwürdigeren Weissagungen der Heiligen Schrift lenken und ihm zugleich deutlich machen, wie groß doch das Erbarmen Gottes war, ihm diese Mahnungen im voraus zukommen zu lassen, noch bevor er sich den Heiligen Schriften zuwandte. Ferner müssen wir ihm auch zeigen, daß der Herr ihn nicht von sich aus mahnen, ja nötigen würde, Christ zu werden und sich der Kirche anzuschließen, und daß er ihn nicht mit solchen Zeichen und Offenbarungen belehren würde, wenn es nicht Gottes Wille gewesen wäre, daß er nachher gefahrloser und unbesorgter den in den Heiligen Schriften schon vorbereiteten Weg einschlage,1 und daß er dort, statt nach augenfälligen Wundern zu suchen, sich daran gewöhne, auf unsichtbare zu hoffen, und die Mahnungen nicht im Schlaf, sondern im Wachen empfange. Hierauf können wir schon mit der historischen Darstellung beginnen, ausgehend von der Bibelstelle »Und S. 28 Gott machte alles sehr gut«2 bis hin zur Kirche in unserer Zeit, wie wir schon sagten.3
Dabei wollen wir jeweils die Hintergründe und den tieferen Sinn der dargestellten Vorgänge und Handlungen angeben und sie damit auf jenes Endziel der Liebe ausrichten,4 das wir bei all unseren Taten und Worten im Auge behalten müssen. Denn wenn schon im Hinblick auf die frei erfundenen Fabeleien der Dichter, die nach dem Geschmack von Leuten gesponnen wurden, deren geistige Nahrung aus Nichtigkeiten besteht, anerkannte und berühmte Sprachgelehrte einen tieferen Nutzen festzustellen versuchen, der zwar trügerisch ist und nur auf weltliche Bedürfnisse abzielt, um wieviel mehr müssen wir darauf achten, das Wahre, das wir erzählen, nicht ohne den dahinterliegenden tieferen Sinn darzustellen, damit es nicht nur wegen des nichtigen Wohlklanges oder schädlicher Sensationsgier Glauben findet. Wir wollen uns aber nicht in der Weise auf diese Hintergründe einlassen, daß wir dabei die Hauptrichtung unserer Darstellung verlassen und sich Herz und Mund in den Verknotungen einer allzu schwierigen Untersuchung verliert: Der Wahrheitsgehalt des tieferen Sinns, auf den wir hinweisen, sei vielmehr das Goldband, das die Reihe der Edelsteine miteinander verknüpft, jedoch nicht die Anordnung des Schmucks durch mangelnde Zurückhaltung stört.5
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Der iter in scripturis sanctis, d. h. der Rückgriff auf die Biblische Geschichte, ist der Ausgangspunkt jeder Hinführung zum Glauben. ↩
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Gen 1,31. ↩
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Vgl. 5. ↩
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Vgl. 1 Tim 1,5. ↩
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Die Edelsteine (die einzelnen Erzählelemente) sollen die Aufmerksamkeit auf das Goldband (die durch alle Epochen sich hindurchziehende Liebe Gottes) ausrichten. ↩
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Vom ersten katechetischen Unterricht (BKV)
6. Kapitel: Von den persönlichen Motiven des Taufbewerbers ausgehend, gebe der Katechet einen gedrängten Überblick über die Geschichte der christlichen Religion von den ersten Anfängen der Biblischen Geschichte bis zur kirchlichen Gegenwart
10. Gibt der Betreffende etwa an, er fühle sich von Gott durch innere Einsprache oder Erschütterung angetrieben, ein Christ zu werden, so gibt er uns mit dem Gedanken, wie groß doch Gottes Sorge für uns sei, die allergünstigste Einleitung an die Hand. Von derartigen wunderbaren Gesichten läßt sich dann leicht auf den festeren Boden und die sichereren Ansprüche der [heiligen] Schriften überleiten, damit er erkenne, wie groß die Barmherzigkeit sei, die ihn schon gerufen hat, bevor er noch den heiligen Schriften nachhing. Und dann muß man ihm zeigen, daß der Herr ihn gewiß nicht ermahnt und angetrieben hätte, ein Christ zu werden und sich der Kirche einverleiben zu lassen und daß er ihn sicher nicht durch solche Zeichen und Offenbarungen belehrt hätte, wäre es nicht sein Wille gewesen, daß der Katechumene nunmehr sicherer und ruhiger den in der Heiligen Schrift vorbereiteten Weg gehen und sich daran gewöhnen solle, hier nicht so fast sichtbare Wunder zu suchen, sondern unsichtbare zu erhoffen und aus ihr nicht im Schlafe, sondern wachend Belehrung und Weisung zu schöpfen. — Darnach ist mit dem [eigentlichen] Vortrag zu beginnen, und zwar, wie wir schon gesagt haben, von da an, wie Gott alles sehr gut geschaffen S. 247hat1 fortlaufend bis zur kirchlichen Gegenwart. Dabei sollen von allen Tatsachen und Geschehnissen, von denen wir reden, die Ursachen und die inneren Zusammenhänge angegeben und die Ereignisse damit zugleich auf jenen [obersten] Endzweck, die Liebe, bezogen werden, den man ja niemals, weder beim Handeln noch beim Sprechen, aus dem Auge verlieren darf. Versuchen doch schon Grammatiker, die als tüchtig gelten und als solche bezeichnet werden, aus den Schöpfungen der Dichter, die doch bloß erfunden und für das Vergnügen solcher Leute ausgedacht sind, die ihren Geist mit Nichtigkeiten nähren, einigermaßen praktischen Nutzen zu ziehen, wenn dieser auch selbst wieder nur nichtig und auf weltliche Sättigung berechnet ist. Um wieviel mehr müssen uns dann wir davor hüten, die von uns erzählten wahren Ereignisse ohne Angabe ihrer Gründe vorzutragen, so daß sie deshalb nur aus bloßem Wohlgefallen oder aus verderblicher Neugier gläubig hingenommen werden. Lassen wir uns indes auf die Darlegung der Gründe nicht so ein, daß Herz und Mund den Faden der Erzählung verlieren und sich in verwickelte und schwierige Untersuchungen verirren; unsere wahrheitsgetreue Darstellung sei gleichsam nur die Goldfassung, welche die Perlenreihe zusammenhält, die aber nicht durch Überladung die Schmuckkette irgendwie stört.
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Gen. 1,31. ↩