34. Kap. Fortsetzung.
Augustus, der Schöpfer der Kaiserwürde, wollte nicht einmal „Herr“ genannt werden. Das ist nämlich S. 131/477 auch ein Beiname Gottes. Ich werde allerdings den Kaiser Herr nennen, aber nicht, wenn ich gezwungen werde, ihn an Gottes Stelle Herr zu nennen1. Übrigens bin ich ihm gegenüber ein Freier. Denn mein Herr ist nur“ einer, der allmächtige und ewige Gott, derselbe, der auch der seinige ist. Und wer der Vater des Vaterlandes ist, wie kann der Herr sein? Aber auch wohltuender ist der das Kindesverhältnis bezeichnende Titel als der vom Machtverhältnis hergenommene; auch die Häupter der Familien nennt man lieber Väter als Herren. Um so weniger darf der Kaiser Gott genannt werden in einer Schmeichelei, die ihm nicht bloß schweren Schimpf antut, sondern auch Unheil wünscht, was man doch nicht als beabsichtigt annehmen kann2. Wenn man schon einen Kaiser hätte und trotzdem noch jemand anders so titulieren wollte, würde man da nicht dem, den man schon hat, eine sehr große, nicht wieder gut zu machende Beleidigung zufügen, die auch dem so Titulierten Besorgnis verursachen müßte?3 Diene also mit religiöser Ehrfurcht Gott, wenn du willst, daß Gott dem Kaiser gnädig sei. Höre auf, an einen ändern Gott zu glauben4, und auf diese Weise den Gott zu nennen, der Gott nötig hat. Wenn diese Art Schmeichelei, die einen Menschen als Gott anredet, nicht über ihre innere Unwahrheit errötet, so möge sie wenigstens in Furcht sein wegen des zugewünschten Unheils. Es ist eine Verwünschung, den Kaiser vor seiner Apotheose Gott zu nennen5. S. 132/478
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Nach der Lesart in F, wo „sed more communi“ fehlt. ↩
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Nach der Lesart in F „Tanto abest (= tanto magis abest, bei Vergleichen läßt T. magis aus) ut imperator deus debeat dici non modo turpissima sed et perniciosa adulatione, quod non potest credi. Der Sinn ist: Man kann doch nicht annehmen, daß man mit dieser Schmeichelei ihm ein Unheil wünscht, and doch ist es so, weil man ihm damit eigentlich den Tod wünscht. Vgl. später: timeat saltem de infausto. Die Lesart in F verdient entschieden den Vorzug vor der in P: tanto abest, ut imperator deus debeat dici, quod non potest credi, non modo etc. Mit Recht fährt F fort: Si habens, nicht Tamquam si habens. ↩
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weil sie eine gleiche Gesinnung gegen ihn verraten würde. ↩
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als an den wahren Gott. ↩
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Vgl. ad nat. I, 17 (89/20) Immo qui deum Caesarem dicitis, et deridetis dicendo quod non est et maledicitis, quia non vult esse, quod dicitis. Mavult enim vivere. quam deus fieri. Waltzing zitiert zum Vergleich die Stelle bei Tacitus (An. 15, 74) über Nero. Zur Lesart vgl. Rauschen 80. ↩