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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
9. Warum werden die Guten und die Bösen gleicherweise von harten Prüfungen heimgesucht?
Haben also die Christen bei jener großen Verwüstung irgend etwas erduldet, was ihnen nicht vielmehr, wenn sie es mit gläubigem Sinn betrachten, zu Nutz und Frommen gereichte? Einmal insofern sie sich in demütigem Hinblick auf die Sünden, um deren willen ja gerade Gott in seinem Zorn die Welt mit solchem Unglück überschüttet hat, doch nicht, so groß auch die Kluft ist, die sie von Übeltätern, Schandbuben und Gottlosen trennt, so frei von jeder Schuld erachten, daß sie nicht wenigstens zeitliches Übel dafür verdient zu haben glaubten. Denn abgesehen davon, daß jeder auch beim tadellosesten Wandel in manchen Dingen dem Begehren des niederen Menschen nachgibt, wenn auch nicht zu ungeheuerlichen Übeltaten und zu unentrinnbaren Schändlichkeiten und zu gräuelhafter Gottlosigkeit, so doch zu einigen Sünden, sei es nur selten oder um so häufiger je geringer sie sind — davon also abgesehen, wo wäre schließlich leicht einer zu finden, der gegen jene, wegen deren schrecklicher Hoffart, Ausschweifung, Habsucht und abscheulicher Ungerechtigkeit und Gottlosigkeit gemäß seiner drohenden Vorhersage Gott die Länder zernichtet, den Standpunkt einnimmt, den man einnehmen soll? so mit ihnen verkehrt, wie man mit solchen verkehren soll? Denn statt sie zu belehren und zu mahnen, bisweilen auch zurechtzuweisen und zu tadeln, drückt man zumeist sündhaft die Augen zu, entweder wenn uns die Mühe verdrießt oder wenn Band 1, S. 37wir uns scheuen, sie ins Angesicht zu tadeln, oder wenn wir dadurch ihre Feindschaft vermeiden, damit sie sich nicht hinderlich und schädigend erweisen in zeitlichen Dingen, die unsere Begehrlichkeit noch zu erreichen strebt oder unsere Schwachheit zu verlieren sich scheut. Obgleich also die Guten das Leben der Bösen mißbilligen und darum nicht mit ihnen der Verdammnis anheimfallen, die nach dem irdischen Leben solche Menschen erwartet, so werden sie doch, weil sie aus derlei Gründen deren verdammungswürdige Sünden schonen und durch diese Furcht selbst Sünden begehen, wenn auch nur leichte und verzeihliche, mit Recht zusammen mit ihnen von zeitlicher Züchtigung betroffen, jedoch nicht auf ewig gestraft. Mit Recht empfinden sie, wenn sie mit den Bösen zugleich heimgesucht werden, das irdische Leben als Bitterkeit, das ihnen so süß vorkam, daß sie aus Liebe zu ihm keine Bitterkeit zeigen wollten, als jene sündigten.
Denn wenn man etwa deshalb mit der schuldigen Zurechtweisung und Abmahnung der Bösewichte zurückhält, weil man auf eine gelegenere Zeit paßt oder weil man für sie selbst fürchtet, sie möchten dadurch nur noch schlimmer werden oder anderen Schwachen in ihrer Heranbildung zu einem guten und frommen Leben Hindernisse bereiten, sie bedrücken, vom Glauben abwendig machen, so liegt solcher Zurückhaltung offenbar nicht Begehrlichkeit, sondern eine von der Liebe eingegebene Überlegung zugrunde. Nur das ist sträflich, wenn die, die anders leben und die Werke der Bösen verabscheuen, fremder Sünden, die sie bereden und zurechtweisen sollten, gleichwohl schonen, um nicht anzustoßen, aus Furcht, es könnte ihnen daraus Schaden erwachsen in Dingen, die die Guten erlaubterweise und ohne Sünde, jedoch (in diesem Fall) begehrlicher in Dienst nehmen, als es sein sollte bei solchen, die als Fremdlinge auf Erden weilen und sich zur Hoffnung auf ein himmlisches Vaterland bekennen. Denn nicht allein Schwächere, Leute im ehelichen Stande mit Kindern oder nach Kindern trachtend, mit Haus und Dienerschaft (solche, an die sich der Apostel1 in den heiligen Versammlungen Band 1, S. 38wendet mit Lehre und Mahnung, wie sie leben sollen, die Frauen mit ihren Männern und die Männer mit ihren Frauen, die Kinder mit ihren Eltern und die Eltern mit ihren Kindern, die Knechte mit ihren Herren und die Herren mit ihren Knechten), nicht nur sie haben eine Freude daran, viel vergängliches irdisches Gut zu gewinnen und empfinden schwer dessen Verlust und wagen es daher nicht, Leute zu tadeln, deren schandbares und ruchloses Leben ihnen mißfällt, sondern auch solche, die auf einer höheren Stufe der Lebensführung stehen und nicht in eheliche Bande verstrickt sind und mit geringer Nahrung und Kleidung vorlieb nehmen, hüten sich meist, die Bösen zu tadeln, da sie deren Nachstellungen und Anfeindungen im Interesse ihres Rufes und ihrer Sicherheit fürchten; geht auch ihre Furcht nicht so weit, daß sie irgend welchen Einschüchterungen und Ungerechtigkeiten nachgäben zu ähnlichen Untaten, so wollen sie doch zumeist die Untaten auch nicht bereden, die sie mit ihnen nicht gemein haben möchten — während sie vielleicht durch Beredung manche bessern könnten —, damit nicht im Fall des Mißlingens ihr Ruf und ihre Sicherheit gefährdet werde oder verloren gehe; und das nicht etwa mit Rücksicht darauf, daß ihr Ruf und ihre Sicherheit notwendig ist, um durch Unterricht Nutzen zu stiften, sondern vielmehr aus Schwäche, aus Wohlgefallen an der Schmeichelzunge und am irdischen Dasein und aus Furcht vor dem Urteil der Menge und vor Folter und Tod des Leibes, d. h. wegen gewisser Bande der Weltlust, nicht wegen der Pflicht der Liebe.
Das also scheint mir nicht unwesentlich Schuld zu sein, wenn mit den Bösen auch die Guten Züchtigung erleiden, da es Gott eben gefällt, auch mit zeitlichen Strafen Sittenverderbnis heimzusuchen. Sie erleiden nämlich zumal Züchtigung, nicht weil sie zumal ein schlechtes Leben führen, sondern weil sie zumal am zeitlichen Leben hängen, zwar nicht in gleicher Weise, aber doch eben auch, während die Guten es gering achten sollten, damit die andern sich eines bessern besännen und das ewige Leben erlangten oder, falls sie sich nicht anschließen wollten in diesem Streben, als Feinde ertragen und geliebt würden, da es ja, so lang sie leben, Band 1, S. 39stets unsicher ist, ob sie nicht ihre Gesinnung zum bessern kehren. In dieser Hinsicht haben nicht etwa nur den gleichen, sondern einen viel dringenderen Anlaß die, denen die Worte des Propheten gelten: „Der zwar wird in seiner Sünde sterben, aber sein Blut werde ich fordern von des Wächters Hand“2. Denn dazu sind Wächter d. i. Vorgesetzte des Volkes aufgestellt in den Kirchen, daß sie es nicht fehlen lassen an der Rüge der Sünden. Gleichwohl ist aber deshalb von solcher Schuld der nicht ganz frei, der, wenn auch nicht Vorgesetzter, doch denen gegenüber, mit welchen er durch notwendige Beziehungen dieses Lebens verbunden ist, es immer wieder unterläßt, ihre ihm wohlbekannten Sünden zu bereden und zu rügen, weil er bei ihnen nicht anstoßen will im Hinblick auf Dinge, an denen er in diesem Leben zwar sich erlaubtermaßen letzen darf, aber über die Massen hängt. Sodann gibt es noch einen anderen Grund, weshalb die Guten von zeitlichen Übeln heimgesucht werden, der Grund, der für Job galt, damit nämlich die Gesinnung des Menschen sich erprobe und sich darüber klar werde, mit welcher Energie der Hingabe sie Gott uneigennützig liebe.
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The City of God
Chapter 9.--Of the Reasons for Administering Correction to Bad and Good Together.
What, then, have the Christians suffered in that calamitous period, which would not profit every one who duly and faithfully considered the following circumstances? First of all, they must humbly consider those very sins which have provoked God to fill the world with such terrible disasters; for although they be far from the excesses of wicked, immoral, and ungodly men, yet they do not judge themselves so clean removed from all faults as to be too good to suffer for these even temporal ills. For every man, however laudably he lives, yet yields in some points to the lust of the flesh. Though he do not fall into gross enormity of wickedness, and abandoned viciousness, and abominable profanity, yet he slips into some sins, either rarely or so much the more frequently as the sins seem of less account. But not to mention this, where can we readily find a man who holds in fit and just estimation those persons on account of whose revolting pride, luxury, and avarice, and cursed iniquities and impiety, God now smites the earth as His predictions threatened? Where is the man who lives with them in the style in which it becomes us to live with them? For often we wickedly blind ourselves to the occasions of teaching and admonishing them, sometimes even of reprimanding and chiding them, either because we shrink from the labor or are ashamed to offend them, or because we fear to lose good friendships, lest this should stand in the way of our advancement, or injure us in some worldly matter, which either our covetous disposition desires to obtain, or our weakness shrinks from losing. So that, although the conduct of wicked men is distasteful to the good, and therefore they do not fall with them into that damnation which in the next life awaits such persons, yet, because they spare their damnable sins through fear, therefore, even though their own sins be slight and venial, they are justly scourged with the wicked in this world, though in eternity they quite escape punishment. Justly, when God afflicts them in common with the wicked, do they find this life bitter, through love of whose sweetness they declined to be bitter to these sinners.
If any one forbears to reprove and find fault with those who are doing wrong, because he seeks a more seasonable opportunity, or because he fears they may be made worse by his rebuke, or that other weak persons may be disheartened from endeavoring to lead a good and pious life, and may be driven from the faith; this man's omission seems to be occasioned not by covetousness, but by a charitable consideration. But what is blame-worthy is, that they who themselves revolt from the conduct of the wicked, and live in quite another fashion, yet spare those faults in other men which they ought to reprehend and wean them from; and spare them because they fear to give offence, lest they should injure their interests in those things which good men may innocently and legitimately use,--though they use them more greedily than becomes persons who are strangers in this world, and profess the hope of a heavenly country. For not only the weaker brethren who enjoy married life, and have children (or desire to have them), and own houses and establishments, whom the apostle addresses in the churches, warning and instructing them how they should live, both the wives with their husbands, and the husbands with their wives, the children with their parents, and parents with their children, and servants with their masters, and masters with their servants,--not only do these weaker brethren gladly obtain and grudgingly lose many earthly and temporal things on account of which they dare not offend men whose polluted and wicked life greatly displeases them; but those also who live at a higher level, who are not entangled in the meshes of married life, but use meagre food and raiment, do often take thought of their own safety and good name, and abstain from finding fault with the wicked, because they fear their wiles and violence. And although they do not fear them to such an extent as to be drawn to the commission of like iniquities, nay, not by any threats or violence soever; yet those very deeds which they refuse to share in the commission of, they often decline to find fault with (when possibly they might) by finding fault prevent their commission. They abstain from interference, because they fear that, if it fail of good effect, their own safety or reputation may be damaged or destroyed; not because they see that their preservation and good name are needful, that they may be able to influence those who need their instruction, but rather because they weakly relish the flattery and respect of men, and fear the judgments of the people, and the pain or death of the body; that is to say, their non-intervention is the result of selfishness, and not of love.
Accordingly this seems to me to be one principal reason why the good are chastised along with the wicked, when God is pleased to visit with temporal punishments the profligate manners of a community. They are punished together, not because they have spent an equally corrupt life, but because the good as well as the wicked, though not equally with them, love this present life; while they ought to hold it cheap, that the wicked, being admonished and reformed by their example, might lay hold of life eternal. And if they will not be the companions of the good in seeking life everlasting, they should be loved as enemies, and be dealt with patiently. For so long as they live, it remains uncertain whether they may not come to a better mind. These selfish persons have more cause to fear than those to whom it was said through the prophet, "He is taken away in his iniquity, but his blood will I require at the watchman's hand." 1 For watchmen or overseers of the people are appointed in churches, that they may unsparingly rebuke sin. Nor is that man guiltless of the sin we speak of, who, though he be not a watchman, yet sees in the conduct of those with whom the relationships of this life bring him into contact, many things that should be blamed, and yet overlooks them, fearing to give offence, and lose such worldly blessings as may legitimately be desired, but which he too eagerly grasps. Then, lastly, there is another reason why the good are afflicted with temporal calamities--the reason which Job's case exemplifies: that the human spirit may be proved, and that it may be manifested with what fortitude of pious trust, and with how unmercenary a love, it cleaves to God. 2