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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
19. Deutungen, die die Verehrung Saturns zurechtlegen.
„Von Saturnus erzählt man“, sagt Varro, „daß er die Gepflogenheit gehabt habe, das von ihm Gezeugte zu verschlingen; das bezieht sich darauf, daß die Samen dorthin zurückkehren, von wo sie ausgehen. Und wenn ihm statt Jupiters eine Erdscholle zum Verschlingen vorgesetzt wurde, so bedeutet dies, daß man zunächst und bevor der Gebrauch des Pflügens aufkam, mit der Hand die Früchte beim Säen unter die Erde brachte.“ Demnach hätte man die Erde und nicht die Samen als Saturnus bezeichnen sollen; denn die Erde verschlingt gewissermaßen das, was sie gezeugt hat, indem die aus ihr gewonnenen Samen zur Wiederaufnahme in sie zurückkehren. Und wenn Saturnus statt Jupiters angeblich eine Erdscholle vorgesetzt erhielt, was hat dies Band 1, S. 360damit zu tun, daß durch Menschenhand der Same mit einer Erdscholle bedeckt wurde? Sollte die Deutung stimmen, dann hätte man beim Darauflegen der Scholle den Samen wegnehmen müssen, wie man dem Saturnus den Jupiter wegnahm, als man ihm die Scholle darreichte; nicht aber durfte man den Samen durch Bedecken mit einer Scholle erst recht der Verschlingung preisgeben. Ferner fiele hierbei dem Jupiter die Rolle des Samens zu, während er doch eben als die Ursache bezeichnet wurde. Aber was will man machen, wenn man törichte Annahmen auslegen soll und unmöglich etwas Gescheites darüber sagen kann. „Saturn hat eine Sichel“, heißt es weiter bei Varro, „wegen seiner Beziehung zum Ackerbau“, Aber es gab doch gewiß zur Zeit seiner Herrschaft noch keinen Ackerbau, und gerade deshalb gilt seine Zeit als die frühere nach der Auslegung Varros, weil die ersten Menschen von den Samenkörnern lebten, welche die Erde von selbst hervorbrachte. Oder hat man ihm die Sichel für das Szepter gegeben, das ihm entrissen worden war, und wurde er, in den ersten Zeiten ein der Muße pflegender König, unter dem Königtum seines Sohnes ein unmüßiger Landarbeiter? Ferner weiß Varro zu berichten, daß man ihm deshalb mancherorts, wie bei den Puniern, Knaben, und anderwärts, wie bei den Galliern, sogar Erwachsene geopfert habe, weil unter allen Samen das Menschengeschlecht der beste sei. Wozu noch mehr Worte verlieren über einen so grausamen Wahnwitz? Beachten wir lieber und stellen wir ausdrücklich fest, daß derlei Deutungen keine Beziehung haben zum wahren Gott, zum lebendigen, unkörperlichen und unwandelbaren Wesen, an den man sich zu wenden hat um des ewig glückseligen Lebens willen, sondern daß sie sich innerhalb körperlicher, zeitlicher, wandelbarer und sterblicher Dinge bewegen. „Wenn es von Saturnus in den Fabeln heißt“, belehrt uns Varro, „daß er seinen Vater Cälus [Himmel]entmannt habe, so bedeutet dies, daß Saturnus und nicht Cälus Macht habe über den Samen der Götter“. Cälus deshalb nicht, soviel sich erkennen läßt, weil im Himmel [caelum]nichts aus Samen geboren wird. Aber siehe da, Saturnus ist ja der Sohn Jupiters, wenn er der Sohn des Band 1, S. 361Cälus ist. Denn daß Jupiter der Himmel sei, versichern sie unzähligemal und mit Nachdruck. So stürzt das, was nicht von der Wahrheit kommt, ohne äußeren Anstoß, in sich selbst zusammen. Chronos sei er genannt worden, sagt Varro, ein griechisches Wort, das einen Zeitraum bezeichnet, ohne den, wie er sagt, der Same nicht fruchtbar sein kann. Noch vieles derart verlautet über Saturnus, und alles hat eine Beziehung zum Samen. Aber nun sollte doch Saturnus mit seiner so großen Macht für die Samen genügen; wozu braucht man für sie noch andere Götter, vorab Liber und Libera das ist Ceres? Und von diesen bringt er wieder soviel bei, was sich auf den Samen bezieht, als hätte er von Saturnus überhaupt nicht gesprochen.
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The City of God
Chapter 19.--Concerning the Interpretations Which Compose the Reason of the Worship of Saturn.
They said, says Varro, that Saturn was wont to devour all that sprang from him, because seeds returned to the earth from whence they sprang. And when it is said that a lump of earth was put before Saturn to be devoured instead of Jupiter, it is signified, he says, that before the art of ploughing was discovered, seeds were buried in the earth by the hands of men. The earth itself, then, and not seeds, should have been called Saturn, because it in a manner devours what it has brought forth, when the seeds which have sprung from it return again into it. And what has Saturn's receiving of a lump of earth instead of Jupiter to do with this, that the seeds were covered in the soil by the hands of men? Was the seed kept from being devoured, like other things, by being covered with the soil? For what they say would imply that he who put on the soil took away the seed, as Jupiter is said to have been taken away when the lump of soil was offered to Saturn instead of him, and not rather that the soil, by covering the seed, only caused it to be devoured the more eagerly. Then, in that way, Jupiter is the seed, and not the cause of the seed, as was said a little before.
But what shall men do who cannot find anything wise to say, because they are interpreting foolish things? Saturn has a pruning-knife. That, says Varro, is on account of agriculture. Certainly in Saturn's reign there as yet existed no agriculture, and therefore the former times of Saturn are spoken of, because, as the same Varro interprets the fables, the primeval men lived on those seeds which the earth produced spontaneously. Perhaps he received a pruning-knife when he had lost his sceptre; that he who had been a king, and lived at ease during the first part of his time, should become a laborious workman whilst his son occupied the throne. Then he says that boys were wont to be immolated to him by certain peoples, the Carthaginians for instance; and also that adults were immolated by some nations, for example the Gauls--because, of all seeds, the human race is the best. What need we say more concerning this most cruel vanity. Let us rather attend to and hold by this, that these interpretations are not carried up to the true God,--a living, incorporeal, unchangeable nature, from whom a blessed life enduring for ever may be obtained,--but that they end in things which are corporeal, temporal, mutable, and mortal. And whereas it is said in the fables that Saturn castrated his father Coelus, this signifies, says Varro, that the divine seed belongs to Saturn, and not to Coelus; for this reason, as far as a reason can be discovered, namely, that in heaven 1 nothing is born from seed. But, lo! Saturn, if he is the son of Coelus, is the son of Jupiter. For they affirm times without number, and that emphatically, that the heavens 2 are Jupiter. Thus those things which come not of the truth, do very often, without being impelled by any one, themselves overthrow one another. He says that Saturn was called Kronos, which in the Greek tongue signifies a space of time, 3 because, without that, seed cannot be productive. These and many other things are said concerning Saturn, and they are all referred to seed. But Saturn surely, with all that great power, might have sufficed for seed. Why are other gods demanded for it, especially Liber and Libera, that is, Ceres?--concerning whom again, as far as seed is concerned, he says as many things as if he had said nothing concerning Saturn.