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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
6. Die Ursache der Glückseligkeit der guten und der Unseligkeit der bösen Engel.
Demnach liegt die wahre Ursache der Glückseligkeit der guten Engel darin, daß sie dem anhängen, der im höchsten Sinne ist. Fragt man aber nach der Ursache der Unseligkeit der bösen Engel, so bietet sich als solche von selbst dar die Abkehr von dem, der im höchsten Sinne ist, und die Hinkehr zum eigenen Wesen, das nicht im höchsten Sinne das Sein hat; und dieses Gebrechen, wie soll man es anders nennen als Hochmut? Er ist ja „der Anfang aller Sünde“1. Sie wollten also ihre Kraft nicht bei ihm bewahren2, und während sie in höherem Grade das Sein hätten, wenn sie dem anhingen, der im höchsten Grade ist, haben sie ihm sich selbst und damit das, was in geringerem Grade ist, vorgezogen. Das ist der erste Mangel, die erste Verarmung, das Grundgebrechen jener Natur, die ihrem anerschaffenen Wesen nach nicht im höchsten Sinne sein, doch aber zu ihrer Glückseligkeit den im höchsten Sinne Seienden zu genießen imstande sein und durch Abkehr von ihm das Sein zwar nicht verlieren, wohl aber in minderem Grade besitzen und darum unselig werden sollte. Sucht man nun nach der Wirkursache des bösen Willens, so stößt man auf nichts. Wohl wirkt der böse Wille das böse Werk, aber was wirkt den bösen Willen? Und demnach ist der böse Wille die Wirkursache des bösen Werkes, aber die Wirkursache des bösen Willens ist nichts. Denn ist sie etwas, so hat dieses Etwas entweder einen Willen oder es hat keinen; hat es einen Band 16, S. 652Willen, so muß er klärlich gut oder böse sein; ist er gut — aber es wird doch niemand solchen Unsinn behaupten, daß der gute Wille den bösen Willen bewirke! In diesem Fall wäre ja der gute Wille die Ursache der Sünde, eine Annahme so ungereimt wie nur möglich. Hat aber jenes Etwas, das den bösen Willen bewirken soll, selbst auch einen bösen Willen, so erhebt sich sofort die Frage, was für ein Etwas diesen bewirkt hat, und so weiter, bis man vor der Ursache des ersten bösen Willens steht. Denn solang es sich noch um einen bösen Willen handelt, den ein anderer böser Wille bewirkt hat, ist man noch nicht beim ersten bösen Willen angekommen; der erste ist der, den keiner bewirkt hat. Denn ist einer vorausgegangen, durch den er bewirkt ward, so ist der, der den andern bewirkt hat, der frühere. Wenn man nun erwidert, daß der erste böse Wille nicht verursacht und deshalb immer vorhanden gewesen sei, so frage ich, ob er in einer Natur vorhanden gewesen sei; wenn nicht, so war er überhaupt nicht vorhanden; wenn ja, dann verschlechterte und verdarb er die Natur und war ihr schädlich und benahm ihr demnach ein Gut. Und also konnte er in einer bösen Natur nicht vorhanden sein, sondern nur in einer guten, doch wandelbaren, einer solchen, der dieses Gebrechen schaden konnte. Denn wenn es ihr nicht schadete, so war es auch kein Gebrechen und kann demnach auch nicht als böser Wille bezeichnet werden. Hat es aber geschadet, so konnte das doch wohl nur geschehen durch Beseitigung oder Minderung eines Gutes. Es konnte also nicht von immer her ein böser Wille in einem Wesen sein, in welchem zuerst ein natürliches Gut vorhanden sein mußte, das der böse Wille durch seinen schädigenden Einfluß hinwegnehmen konnte. War also der böse Wille nicht von stets her, so frage ich, wer hat ihn denn bewirkt? Es bleibt nur übrig anzunehmen, daß den bösen Willen ein Etwas bewirkt hat, in welchem kein Wille vorhanden war. Ist nun dieses Etwas erhabener (als der seinem Angriff ausgesetzte gute Wille) oder geringer oder gleichwertig? Aber wenn erhabener, so wäre es ja vorzüglicher; es dürfte also nicht des Willens bar sein, sondern müßte einen guten Willen haben. Aber auch nicht Band 16, S. 653gleichwertig kann es sein. Denn solang zwei gleichermaßen guten Willens sind, kann nicht der eine in dem andern einen bösen Willen bewirken. Also muß ein geringeres Etwas, das keinen Willen hat, den bösen Willen der zuerst sündigenden Engelsnatur bewirkt haben. Aber dieses geringere Etwas, mag es sein, was es will, bis herab in die unterste irdische Region, ist ohne Zweifel als Natur und Wesenheit gut nach Maß und Gestalt, wie es ihm in seiner Art und Stufenfolge zukommt. Wie kann also etwas Gutes die Wirkursache des bösen Willens sein? Das Gute Ursache des Bösen? Allerdings wird ja der Wille böse, indem er sich vom Höheren dem Niedrigeren zukehrt, aber doch nicht, weil der Gegenstand der Hinkehr böse wäre, sondern weil die Hinkehr selbst verkehrt ist. Also hat nicht ein untergeordnetes Ding den bösen Willen bewirkt, sondern der böse Wille selbst, weil er böse geworden ist, hat ein untergeordnetes Ding böslich und ungeordnet angestrebt. Nehmen wir etwa an, zwei geistig und körperlich gleichgestimmte Menschen sehen denselben schönen Leib und einer von ihnen wird dadurch gereizt zu unerlaubtem Genuß, während der andere ohne Wanken in reiner Gesinnung verharrt, was ist da wohl die Ursache, daß in dem einen ein böser Wille entsteht, im andern nicht? Was hat ihn bewirkt in dem einen? Die Schönheit des Leibes nicht; sie müßte ihn in beiden bewirkt haben, da sie sich ihren Blicken nicht verschieden darbot. Oder liegt die Ursache nach der leiblichen Seite des Anblickenden? Warum dann nicht auch für den andern? Oder nach der geistigen Seite? Warum nicht für beide zumal? Beide sind ja, wie gesagt, geistig und leiblich gleichgestimmt. Oder ist anzunehmen, daß der eine durch geheime Einflüsterung des bösen Geistes versucht ward? Als hätte er nicht mit eigenem Willen solcher Einflüsterung und wie immer beschaffenen Beredung beigestimmt! Nach der Ursache eben dieser Zustimmung, dieses bösen Willens, womit er bösem Rate folgte, fragen wir ja. Lassen wir beide, um auch diese Schwierigkeit zu beseitigen, von der gleichen Versuchung befallen werden, den einen ihr nachgeben und zustimmen, den andern, in der vorigen Gesinnung verharren, dann Band 16, S. 654zeigt es sich doch klar, daß der eine von der Keuschheit abfallen wollte, der andere nicht. Woher anders kommt das als vom eigenen Willen, wo doch bei beiden die leibliche und geistige Verfassung dieselbe war? Den Augen beider bot sich gleicherweise die gleiche Schönheit dar; beiden stieg gleicherweise die gleiche Versuchung im Innern auf; forscht man also nach dem Etwas, das in dem einen von ihnen den bösen Willen bewirkt hat, so bietet sich bei genauem Zusehen nichts dar. Denn wollte man sagen, daß er selbst ihn bewirkt hat, ja was war denn er selbst vor dem Auftreten des bösen Willens? Doch eine gute Natur, deren Urheber Gott ist, das unwandelbare Gut. Wenn man also den, der im Gegensatz zum andern der Einflüsterung und Versuchung zu unerlaubtem Gebrauch des schönen Leibes, der in gleicher Weise beiden vor Augen stand, zugestimmt hat, während beide vor jener Erscheinung und Versuchung geistig und leiblich einander gleich waren, wenn man diesen, sage ich, selbst in sich den bösen Willen bewirken läßt, während er vor dem Auftreten des bösen Willens gut war, so muß man sich doch die Frage vorlegen, warum er ihn bewirkt hat, ob deshalb, weil er eine Natur ist, oder deshalb, weil er eine aus nichts erschaffene Natur ist; und man wird finden, daß der böse Wille seinen Ursprung nicht vom Natursein nimmt, sondern davon, daß es sich um eine aus nichts erschaffene Natur handelt. Denn wäre die Natur Ursache des bösen Willens, so ergäbe sich unausweichlich, daß von etwas Gutem Böses bewirkt wird und Gutes Ursache des Bösen ist; von der guten Natur ja würde der böse Wille bewirkt. Aber wie könnte die gute, wenn schon wandelbare Natur, ehe sie einen bösen Willen hat, etwas Böses bewirken, eben den bösen Willen?
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De civitate Dei (CCSL)
Caput VI: Quae causa sit beatitudinis angelorum bonorum et quae causa sit miseriae angelorum malorum.
Proinde causa beatitudinis angelorum bonorum ea uerissima reperitur, quod ei adhaerent qui summe est. cum uero causa miseriae malorum angelorum quaeritur, ea merito occurrit, quod ab illo, qui summe est, auersi ad se ipsos conuersi sunt, qui non summe sunt; et hoc uitium quid aliud quam superbia nuncupetur? initium quippe omnis peccati superbia. noluerunt ergo ad illum custodire fortitudinem suam, et qui magis essent, si ei qui summe est adhaererent, se illi praeferendo id quod minus est praetulerunt. hic primus defectus et prima inopia primumque uitium eius naturae, quae ita creata est, ut nec summe esset, et tamen ad beatitudinem habendam eo, qui summe est, frui posset, a quo auersa non quidem nulla, sed tamen minus esset atque ob hoc misera fieret. huius porro malae uoluntatis causa efficiens si quaeratur, nihil inuenitur. quid est enim quod facit uoluntatem malam, cum ipsa faciat opus malum? ac per hoc mala uoluntas efficiens est operis mali, malae autem uoluntatis efficiens nihil est. quoniam si res aliqua est, aut habet aut non habet aliquam uoluntatem; si habet, aut bonam profecto habet aut malam; si bonam, quis ita desipiat, ut dicat quod bona uoluntas faciat uoluntatem malam? erit enim, si ita est, bona uoluntas causa peccati, quo absurdius putari nihil potest. si autem res ista, quae putatur facere uoluntatem malam, ipsa quoque habet uoluntatem malam, etiam eam quae fecerit res consequenter interrogo, atque ita, ut sit aliquis inquirendi modus, causam primae malae uoluntatis inquiro. non est enim prima uoluntas mala, quam fecit uoluntas mala; sed illa prima est, quam nulla fecit. nam si praecessit a qua fieret, illa prior est, quae alteram fecit. si respondetur quod eam nulla res fecerit et ideo semper fuerit: quaero utrum in aliqua natura fuerit. si enim in nulla fuit, omnino non fuit; si autem in aliqua, uitiabat eam et corrumpebat eratque illi noxia ac per hoc bono priuabat. et ideo in mala natura uoluntas mala esse non poterat, sed in bona, mutabili tamen, cui uitium hoc posset nocere. si enim non nocuit, non utique uitium fuit, ac per hoc nec mala uoluntas fuisse dicenda est. porro si nocuit, bonum auferendo uel minuendo utique nocuit. non igitur esse potuit sempiterna uoluntas mala in ea re, in qua bonum naturale praecesserat, quod mala uoluntas nocendo posset adimere. si ergo non erat sempiterna, quis eam fecerit quaero. restat ut dicatur, quod ea res fecerit malam uoluntatem, in qua nulla uoluntas fuit. haec utrum superior sit, requiro, an inferior, an aequalis. sed superior utique melior; quomodo ergo nullius, ac non potius bonae uoluntatis? hoc idem profecto et aequalis. duo quippe quamdiu sunt pariter uoluntatis bonae, non facit alter in altero uoluntatem malam. relinquitur ut inferior res, cui nulla uoluntas est, fecerit angelicae naturae, quae prima peccauit, uoluntatem malam. sed etiam res ipsa quaecumque est inferior usque ad infimam terram, quoniam natura et essentia est, procul dubio bona est, habens modum et speciem suam in genere atque ordine suo. quomodo ergo res bona efficiens est uoluntatis malae? quomodo, inquam, bonum est causa mali? cum enim se uoluntas relicto superiore ad inferiora conuertit, efficitur mala, non quia malum est, quo se conuertit, sed quia peruersa est ipsa conuersio. idcirco non res inferior uoluntatem malam fecit, sed rem inferiorem praue atque inordinate, ipsa quia facta est, adpetiuit. si enim aliqui duo aequaliter affecti animo et corpore uideant unius corporis pulchritudinem, qua uisa unus eorum ad inlicite fruendum moueatur, alter in uoluntate pudica stabilis perseueret, quid putamus esse causae, ut in illo fiat, in illo non fiat uoluntas mala? quae illam res fecit in quo facta est? neque enim pulchritudo illa corporis; nam eam non fecit in ambobus, quandoquidem amborum non dispariliter occurrit aspectibus. an caro intuentis in causa est? cur non et illius? an uero animus? cur non utriusque? ambos enim et animo et corpore aequaliter affectos fuisse praediximus. an dicendum est alterum eorum occulta maligni spiritus suggestione tentatum, quasi non eidem suggestioni et qualicumque suasioni propria uoluntate consenserit? hanc igitur consensionem, hanc malam quam male suadenti adhibuit uoluntatem, quae in eo res fecerit, quaerimus. nam ut hoc quoque impedimentum ab ista quaestione tollatur, si eadem tentatione ambo tententur, et unus ei cedat atque consentiat, alter idem qui fuerat perseueret: quid aliud apparet, nisi unum noluisse, alterum uoluisse a castitate deficere? unde nisi propria uoluntate, ubi eadem fuerat in utroque corporis et animi affectio? amborum oculis pariter uisa est eadem pulchritudo, ambobus pariter institit occulta tentatio; propriam igitur in uno eorum uoluntatem malam res quae fecerit scire uolentibus, si bene intueantur, nihil occurrit. si enim dixerimus quod ipse eam fecerit, quid erat ipse ante uoluntatem malam nisi natura bona, cuius auctor deus, qui est inmutabile bonum? qui ergo dicit eum, qui consensit tentanti atque suadenti, cui non consensit alius, ad inlicite utendum pulchro corpore, quod uidendum ambobus pariter adfuit, cum ante illam uisionem ac tentationem similes ambo animo et corpore fuerint, ipsum sibi fecisse uoluntatem malam, qui utique bonus ante uoluntatem malam fuerit: quaerat cur eam fecerit, utrum quia natura est, an quia ex nihilo facta est, et inueniet uoluntatem malam non ex eo esse incipere quod natura est, sed ex eo quod de nihilo facta natura est. nam si natura causa est uoluntatis malae, quid aliud cogimur dicere, nisi a bono fieri malum et bonum esse causam mali, siquidem a natura bona fit uoluntas mala? quod unde fieri potest, ut natura bona, quamuis mutabilis, antequam habeat uoluntatem malam, faciat aliquid mali, hoc est ipsam uoluntatem malam?