Übersetzung
ausblenden
Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat (BKV)
4. Der Sinn der Worte „nach dem Menschen leben“ und „nach Gott leben“.
Lebt also der Mensch nicht nach Gott, sondern nach dem Menschen, so ist er dem Teufel ähnlich; denn auch der Engel durfte nicht nach dem Engel, sondern mußte nach Gott leben, sollte er in der Wahrheit standhalten und aus dem, was Gottes, die Wahrheit reden, statt aus dem Eigenen zu lügen. Und vom Menschen sagt der Apostel an anderer Stelle1: „Wenn aber die Wahrheit Gottes in meiner Lüge überströmte“. Die Lüge nennt er da unser Eigen, die Wahrheit spricht er Gott zu. Wenn demnach der Mensch nach der Wahrheit lebt, so lebt er nicht nach sich selbst, sondern nach Gott. Gott ist es, der gesagt hat2: „Ich bin die Wahrheit“. Lebt er aber nach sich selbst, d. i. nach dem Menschen und nicht nach Gott, so lebt er klärlich nach der Lüge; nicht als wäre der Mensch selbst die Lüge, Band 16, S. 747da ja sein Urheber und Schöpfer Gott ist, der natürlich nicht Urheber und Schöpfer der Lüge ist, sondern weil die dem Menschen anerschaffene Grundrichtung erfordert, daß er nicht nach sich selbst, sondern nach dem lebe, der ihn erschaffen hat, d. h. daß er dessen und nicht seinen Willen tue; nicht so leben, wie es ihm anerschaffen ist, darin besteht die Lüge. Er will nämlich glückselig sein, auch wenn er nicht so lebt, daß er es sein kann. Ein solcher Wille ist das Verlogenste, was es gibt. Und mit gutem Grund kann man deshalb sagen, jede Sünde sei eine Lüge. Denn die Sünde kommt nur zustande durch einen auf unser Wohlergehen oder auf Abwendung unseres Übelergehens gerichteten Willen. Also ist das Lüge, was zu unserm Wohlergehen geschieht, aber eben dadurch uns übel bekommt, oder was zur Besserung unserer Lage geschieht und sie in Wirklichkeit verschlechtert. Und dies rührt lediglich daher, daß es dem Menschen nur gut ergehen kann im Anschluß an Gott, den er nun aber durch die Sünde verläßt, nicht im Anschluß an sich selbst, in der Sünde, die darin liegt, nach sich selbst zu leben.
Wenn wir also die Ursache des Entstehens zweier verschiedener und sich entgegengesetzter Staaten darin gesucht haben, daß die einen nach dem Fleische, die andern nach dem Geiste leben, so könnte man als Ursache ebensogut bezeichnen, daß die einen nach dem Menschen, die andern nach Gott leben. Mit ausdrücklichen Worten sagt ja « Paulus » zu den Korinthern3: „Denn wenn unter euch Eifersucht und Streit « herrschen », seid ihr dann nicht fleischlich und wandelt nach dem Menschen?“ Also wandeln nach dem Menschen ist gleichbedeutend mit fleischlich sein, weil unter Fleisch als einem Teile des Menschen der Mensch selbst zu verstehen ist. Vorher hat er ohnehin die nämliche Gattung von Menschen seelisch genannt, die er hier als fleischlich bezeichnet; er sagt nämlich4: „Denn welcher Mensch weiß, was im Menschen ist, als nur der Geist des Menschen, der in ihm selbst ist? So weiß auch Band 16, S. 748niemand, was Gottes ist, als nur der Geist Gottes. Wir aber“, fährt er fort, „haben nicht den Geist dieser Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist, damit wir wissen, was uns von Gott geschenkt worden ist. Und das lehren wir auch, nicht mit gelehrten Worten menschlicher Weisheit, sondern mit geistgelehrten, indem wir das Geistige geistig behandeln. Der seelische Mensch dagegen faßt nicht, was des Geistes Gottes ist; ihm ist es Torheit.“ An solche also, an seelische meine ich, wendet er sich kurz hernach mit den Worten5: „Und ich, Brüder, konnte nicht zu euch reden als zu Geistigen, sondern als zu Fleischlichen“; hier wie dort derselben Redefigur sich bedienend, mit dem Teil das Ganze bezeichnend. Denn sowohl mit der Seele als auch mit dem Fleische, den beiden Bestandteilen des Menschen, kann man das Ganze, den Menschen, bezeichnen; und so ist seelischer Mensch und fleischlicher Mensch gleichbedeutend, beides ist ein und dasselbe, nämlich der nach dem Menschen lebende Mensch, wie ja auch wieder eben Menschen gemeint sind sowohl in der Stelle6: „Aus den Werken des Gesetzes wird nicht gerechtfertigt werden jegliches Fleisch“, als auch in der Stelle7: „Fünfundsiebzig Seelen stiegen hinab mit Jakob nach Ägypten“. Dort ist unter jeglichem Fleisch jeglicher Mensch zu verstehen und hier unter den fünfundsiebzig Seelen fünfundsiebzig Menschen. Und statt: „nicht mit gelehrten Worten menschlicher Weisheit“ hätte es ebensogut heißen können: fleischlicher Weisheit, und statt: „ihr wandelt nach dem Menschen“ ebenso gut: nach dem Fleische. Noch deutlicher tritt das hervor in den anschließenden Worten8: „Denn wenn der eine sagt: Ich bin des Paulus, der andere aber: Ich des Apollo, seid ihr da nicht Menschen?“ Was er meinte mit den Ausdrücken: Seelisch seid ihr, fleischlich seid ihr, das sagt er hier genauer, voller: „Menschen seid ihr“, das will sagen: Nach dem Menschen lebt ihr, nicht nach Gott; würdet ihr nach Gott leben, so wäret ihr Götter.
Edition
ausblenden
De civitate Dei (CCSL)
Caput IV: Quid sit secundum hominem, quid autem secundum deum uiuere.
Cum ergo uiuit homo secundum hominem, non secundum deum, similis est diabolo; quia nec angelo secundum angelum, sed secundum deum uiuendum fuit, ut staret in ueritate et ueritatem de illius, non de suo mendacium loqueretur. nam et de homine alio loco idem apostolus ait: si autem ueritas dei in meo mendacio abundauit. nostrum dixit mendacium, ueritatem dei. cum itaque uiuit homo secundum ueritatem, non uiuit secundum se ipsum, sed secundum deum. deus est enim qui dixit: ego sum ueritas. cum uero uiuit secundum se ipsum, hoc est secundum hominem, non secundum deum, profecto secundum mendacium uiuit; non quia homo ipse mendacium est, cum sit eius auctor et creator deus, qui non est utique auctor creatorque mendacii, sed quia homo ita factus est rectus, ut non secundum se ipsum, sed secundum eum, a quo factus est, uiueret, id est illius potius quam suam faceret uoluntatem: non ita uiuere, quemadmodum est factus ut uiueret, hoc est mendacium. beatus quippe uult esse etiam non sic uiuendo ut possit esse. quid est ista uoluntate mendacius? unde non frustra dici potest omne peccatum esse mendacium. non enim fit peccatum nisi ea uoluntate, qua uolumus ut bene sit nobis uel nolumus ut male sit nobis. ergo mendacium est, quod cum fiat ut bene sit nobis, hinc potius male est nobis, uel cum fiat ut melius sit nobis, hinc potius peius est nobis. unde hoc, nisi quia de deo potest bene esse homini, quem delinquendo deserit, non de se ipso, secundum quem uiuendo delinquit? quod itaque diximus, hinc extitisse duas ciuitates diuersas inter se atque contrarias, quod alii secundum carnem, alii secundum spiritum uiuerent: potest etiam isto modo dici quod alii secundum hominem, alii secundum deum uiuant. apertissime quippe Paulus ad Corinthios dicit: cum enim sint inter uos aemulatio et contentio, nonne carnales estis et secundum hominem ambulatis? quod ergo est ambulare secundum hominem, hoc est esse carnalem, quod a carne, id est a parte hominis, intellegitur homo. eosdem ipsos quippe dixit superius animales, quos postea carnales, ita loquens: quis enim scit, inquit, hominum, quae sunt hominis, nisi spiritus hominis, qui in ipso est? sic et quae dei sunt, nemo scit nisi spiritus dei. nos autem, inquit, non spiritum huius mundi accepimus, sed spiritum qui ex deo est, ut sciamus quae a deo donata sunt nobis; quae et loquimur, non in sapientiae humanae doctis uerbis, sed doctis spiritu, spiritalibus spiritalia conparantes. animalis autem homo non percipit quae sunt spiritus dei; stultitia est enim illi. talibus igitur, id est animalibus, paulo post dicit: et ego, fratres, non potui loqui uobis quasi spiritalibus, sed quasi carnalibus; et illud et hoc eodem loquendi modo, id est a parte totum. et ab anima namque et a carne, quae sunt partes hominis, potest totum significari, quod est homo; atque ita non est aliud animalis homo, aliud carnalis, sed idem ipsum est utrumque, id est secundum hominem uiuens homo; sicut non aliud quam homines significantur, siue ubi legitur: ex operibus legis non iustificabitur omnis caro, siue quod scriptum est: septuaginta quinque animae descenderunt cum Iacob in Aegyptum. et ibi enim per omnem carnem omnis homo, et ibi per septuaginta quinque animas septuaginta quinque homines intelleguntur. et quod dictum est: non in sapientiae humanae doctis uerbis, potuit dici: non in sapientiae carnalis; sicut quod dictum est: secundum hominem ambulatis, potuit dici: secundum carnem. magis autem hoc apparuit in his quae subiunxit: cum enim quis dicat: ego quidem sum Pauli, alius autem: ego Apollo, nonne homines estis? quod dicebat: animales estis, et: carnales estis, expressius dixit: homines estis, quod est: secundum hominem uiuitis, non secundum deum, secundum quem si uiueretis, di essetis.